Bilanz zum G-7-Protest: Zertrampelte Wiese, kaputte Aufsteller

Die Sicherheitsvorkehrungen für das Gipfeltreffen waren hoch, die Gefahrenprognosen für die Demos noch höher. Passiert ist am Ende fast nichts.

Wie idyllisch: Polizist am Straßenrand in Klais. Foto: reuters

GARMISCH-PARTENKIRCHEN taz | Im rosa Blazer steht Sigrid Meierhofer am Montagvormittag vor dem Bahnhof Garmisch-Partenkirchen. Die SPD-Bürgermeisterin der Stadt ist bestens gelaunt, strahlt. „Ich bin so froh. Es ist überhaupt nichts kaputt gegangen.“ Nun könne man „wieder zum eigentlichen Geschäft“ übergehen, sagt Meierhofer. Am Mittwoch sei Gemeinderatssitzung.

Hinter Meierhofer haben sich am Montag die G-7-Gegner ein letztes Mal versammelt. Abschlusskundgebung. Gut 100 Protestierende sind nochmal gekommen. Ein letztes Mal werden Transparente entrollt, Parolen gerufen. Georg Ismael, einer der Organisatoren, ein junger blonder Mann, bedankt sich bei den Anwohnern. „Ihr wart total klasse.“ Er selbst habe letzte Nacht bei Einheimischen geschlafen, noch um Mitternacht hätten diese Pizza aufgetischt.

Neben der Kundgebung schlendern Polizisten, auch sie maximal entspannt. Eine Beamtin hat sich ein Herz an die Uniform geheftet. Sie wissen: Für sie gibt es hier nichts mehr zu tun. Wenig später reisen die letzten Gipfelgegner ab. Die meisten waren schon am Sonntagabend aufgebrochen. Erschöpft, nachdem sie zu Hunderten mit einem Sternmarsch Richtung Schloss Elmau, dem G-7-Tagungsort, gezogen waren.

Am Ende herrscht Versöhnlichkeit allerorten. Ein erstaunliches Bild – wenn man sich die Krawallprognosen im Vorfeld des G-7-Gipfels in Erinnerung ruft. Was war da alles befürchtet worden. Brennende Autos wie nach den jüngsten Blockupy-Protesten in Frankfurt/Main. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) warnte, bis zu 3.000 Gewaltbereite würden anreisen. Anwohner sollten auf Geheiß der Polizei Blumentöpfe und Holzstapel wegräumen, damit sich diese nicht Randalierer schnappen.

Völlig verfehlte Randale-Erwartung

Eingetroffen ist davon – nichts. Zumindest fast. Auf der Hauptdemonstration der Gipfel-Gegner am Samstag kam es zu vereinzelten Rangeleien. Und Bürgermeisterin Meierhofer berichtet noch von einer zertrampelten Wiese und einem zerstörten Aufsteller eines Geschäfts. Mehr Sachschäden aber habe es nicht gegeben, so die SPD-Frau. „Damit können wir leben.“

Was sollte das also – 20.000 aufgebotene Polizisten, Grenzkontrollen, Checkpoints auf den Straßen, ein kilometerlanger Zaun um Elmau? Die tiefe völlig verfehlte Randale-Erwartung lässt sich in Garmisch-Partenkirchen vor allem an einem Gebäude ablesen: dem Abrams-Komplex am nördlichen Stadtrand.

Die Polizei hatte in dem einstigen Hotel der US-Armee eigens für den Gipfel eine Gefangenensammelstelle eingerichtet. 200 Zellenplätze standen hier für Randalierer zur Verfügung. Rund 100 Richter sollen für das Wochenende in Bereitschaft gestanden haben.

Die allerdings blieben so gut wie arbeitslos. 72 Ingewahrsamnahmen zählte die Polizei am Wochenende, 30 Personen davon landeten in der Sammelstelle. Anwälte der Gipfelgegner sagten, ihnen seien 84 Festnahmen oder Gewahrsamnahmen bekannt. Die Gefangenensammelstelle war laut einem Polizeisprecher am Montag bereits komplett leer.

Schokoriegel von der Polizei

Anders waren die Zahlen beim letzten Gipfeltreffen in Deutschland, 2007 in Heiligendamm. 1.600 Ermittlungsverfahren gab es damals gegen Demonstranten, mehr als tausend Festnahmen. 2007 demonstrierten allerdings auch bis zu 50.000 Menschen gegen das Treffen. In Garmisch-Partenkirchen waren es rund 5.000, die zu der größten Demonstration zusammenkamen.

Rechtsanwalt Marco Noli, der festgenommene Demonstranten betreute, nennt die Gefahrenprognose der Sicherheitsbehörden einen „Quatsch“, der unverständlicherweise nicht mal vor Ort korrigiert wurde. Stattdessen habe die Polizei weiter alles belagert. „Es ging nur darum, das schöne Bild da oben nicht zu stören.“ Dass Demonstrationen teils nur für 50 Teilnehmer erlaubt und später noch verboten wurden, nannte Noli eine „versammlungsrechtliche Realität, die noch hinter der Türkei zurücksteht“.

Das gewaltige Polizeiaufgebot hatte aber auch eine bemerkenswerte Folge: Die Beamten entwickelten ob ihrer Übermacht über die Tage eine ganz eigene Entspanntheit. Polizisten verteilten Wasser und Schokoriegel an Demonstranten. „Kommunikationsteams“ versuchten sich im Smalltalk mit dem Schwarzen Block, über den Polizei-Twitteraccount lief Launiges (“Traumhaftes Wetter!“; „Wir vermissen ein wenig die Stimmung mit Musik und Samba gestern.“).

Protestsprecher Ismael kritisiert diese Polizeiauftritte hingegen „als eine einzige Show“. Es sei „ein Witz“ erst Demonstrationen zu verbieten, „und dann Snickers zu verteilen“. Mit dem riesigen Polizeiaufgebot sei im Vorfeld „Angst geschürt“ worden, die Teile der Bewegung vor einer Anreise abgehalten hätten.

Das kann ja vielleicht noch nachgeholt werden. Bürgermeisterin Sigrid Meierhofer denkt am Montag schon nach vorn. Der G-7-Gipfel werde hoffentlich zum Werbeeffekt für ihre Stadt, sagt die SPD-Frau. „Vielleicht kommen jetzt mehr Gäste aus Übersee, oder Journalisten und Polizisten.“ Erste Rückmeldungen gebe es schon. Und, ach ja, schiebt Meierhofer schnell hinterher, auch Demonstranten seien als Besucher willkommen.

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