Noch mehr Angst vorm Fracking: Alarmierende Krebsrate

In Rotenburg erkranken überdurchschnittlich viele Männer an Blutkrebs. Der Ort ist ein Zentrum der Fracking-Erdgasförderung.

Frackinganlage bei Rotenburg/Wümme

Ein Fracking-Bohrloch der Firma ExxonMobil in der Nähe von Rotenburg (Archivbild von 2012) Foto: dpa

BERLIN taz |Für die Fracking-Industrie sind die neuen Nachrichten aus der norddeutschen Kleinstadt Rotenburg an der Wümme ein Fiasko. In der Kreisstadt ist die Zahl der an Blutkrebs erkrankten älteren Männer gegenüber einer Vergleichsregion drastisch erhöht, gab das „Epidemiologische Krebsregister Niedersachsen“ (EKN) am Montag bekannt. In und um Rotenburg gibt es zahlreiche Bohrlöcher zur Gewinnung von Erdgas.

Vor wenigen Monaten gab es aus der benachbarten Samtgemeinde Bothel ähnliche Schlagzeilen. Auch dort wurde bei älteren Männern eine erhöhte Krebsrate bei Neuerkrankungen festgestellt.

Für Rotenburgs Bürgermeister Andreas Weber (SPD) war das nicht überraschend. Er hatte laut Kreiszeitung so was schon erwartet, nachdem im vergangenen Jahr die Daten aus Bothel bekannt wurden. Dort war die prozentuale Zunahme der Krebsfälle im Vergleich zu Rotenburg sogar noch höher. Für den Landkreis Rotenburg war es der Anlass, beim EKN weitergehende Untersuchungen zu beantragen. Für mehrere Regionen um Rotenburg herum wurden daraufhin die Krebsdaten einer Sonderauswertung unterzogen.

Das Ergebnis: Neben Bothel ist nur Rotenburg von der erhöhten Krebsrate betroffen. „Bei rund 55 erwarteten Fällen wurden 72 Erkrankungen beobachtet, dies entspricht einer Erhöhung um 31 Prozent“, heißt es beim EKN. Vor allem beim Multiplen Myelom, einer Form von Knochenmarks-Krebs, war die Neuerkrankungsrate erhöht.

Bei Frauen aus Rotenburg sind zwar auch erhöhte Zahlen bei den Neuerkrankungen gefunden worden. Dieser Wert ist aber nach Angaben des EKN nicht signifikant, kann also auf das statistische Rauschen zurückzuführen sein.

Moratorium gefordert

Für Kathrin Otte vom „Gemeinnützigen Netzwerk für Umweltkranke“ sind die Daten höchst besorgniserregend. In der Förderregion Rotenburg wird seit über 70 Jahren Gas gefördert. Allein im Stadtgebiet gibt es 70 Tiefbohrungen, ebenso in Bothel. Im Zeitraum von 1992 bis 2008 wurden laut Otte in Rotenburg 24 Fracking-Vorgänge vorgenommen.

„Unseres Wissens nach soll zumindest bei einzelnen Fracks benzolhaltiger Diesel im Fracfluid eingesetzt worden sein“, so Otte. Benzol gehöre zu den Umweltstoffen, die als Auslöser für Multiple Myelome diskutiert werden. Auch wenn die Ursachen bisher nicht eindeutig geklärt sind, müsste sofort die Reißleine gezogen werden: Die Antwort könne nur ein „konsequentes Moratorium“ für Fracking sein, sagt Otte.

So weit wollen die Lokalpolitiker nicht gehen: Es sei „fahrlässig, jetzt in eine bestimmte Richtung zu denken“, wiegelt etwa der CDU-Landrat Hermann Luttmann in der Kreiszeitung ab. Auch Bürgermeister Weber spricht von „Spekulationen“.

In Bothel läuft derzeit noch eine Umfrageaktion: Dort sind 7.000 Fragebogen ausgegeben worden, mit denen ermittelt werden soll, ob es bei den an Krebs erkrankten Botheler Gemeinsamkeiten im Lebenslauf gibt, die auf einen Auslöser für die Erkrankungen hinweisen. Aber auch das werden vermutlich nur Hinweise sein.

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