Cannabis-Legalisierung: „Es geht an der Realität vorbei“

Anke Mohnert von der Drogenberatungsstelle Palette e.V. zweifelt am Sinn eines Modellprojekts zur Cannabis-Abgabe.

Vorbild Niederlande? In einem Coffeshop in Maastricht wird Ware abgepackt. Foto: Oliver Berg/dpa

taz: Wie sinnvoll ist ein Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis in der Sternschanze, Frau Mohnert?

Anke Mohnert: Das Modellprojekt soll dazu dienen, dass der Handel und Konsum von Cannabis in der Schanze verschwindet. Cannabis ist aber eine Droge, die fast überall verfügbar ist. Bei einem Modellprojekt erwirbt nur ein kleiner Teil der Konsumenten die Drogen legal, die anderen kaufen weiter bei den Dealern. Es geht also vollkommen an dem täglichen Geschehen auf dem Cannabis-Markt vorbei. Das eigentliche Problem ist die Illegalität und die wird nicht mit einem Modellprojekt gelöst.

Was halten Sie von einer Insellösung, nach der es in der Schanze einen oder mehrere Orte geben soll, an denen sich Menschen legal Cannabis kaufen können?

Ich glaube, die Insellösung ist eine schlechte Idee. Wenn sich Drogenkonsum nur auf einen einzigen Stadtteil konzentriert, ist das weder für die Anwohner noch Konsumenten gut.

Eine Argument ist, dass die kontrollierte Cannabis-Abgabe die Kriminalität im Viertel bekämpfen soll. Was halten Sie davon?

Das Modellprojekt kann einen Anstoß geben, das Problem zu thematisieren, aber es wird die Illegalität nicht aufheben. Die Kriminalität im Cannabis-Markt wird weiterhin bestehen, denn der Handel und Besitz bleibt ja illegal.

Was muss sich in der Drogenpolitik verändern?

Das Betäubungsmittelgesetz muss geändert werden. Die ursprüngliche Idee des Gesetzes war eine drogenfreie Gesellschaft – und das hat nicht funktioniert. Cannabis ist nach Alkohol, Tabak und Medikamenten die meistgenutzte Droge und wird von vielen gar nicht mehr so wahrgenommen. Cannabis ist salonfähig geworden, sowohl als Arznei- als auch als Genussmittel.

Gibt es europäische Vorbilder im Umgang mit Cannabis?

In Spanien gibt es Cannabis Social Clubs, in denen selbst angebaut und ohne Gewinnorientierung geraucht wird. Gegen einen Mitgliedsausweis kann man dort legal Cannabis konsumieren. Das ist durchaus freier und selbstbestimmter als ein Modellversuch.

Sie sind also für eine vollständige Legalisierung von Cannabis?

Ja, aber nur für Erwachsene und in einem regulierten Markt.

Wie könnte ein regulierter Markt aussehen?

Da gibt es verschiedene Ansätze. Man könnte Produktionskontrollen einführen, Abgabestellen lizensieren oder Cannabis in Apotheken verkaufen. Das muss man sich gemeinsam überlegen.

Was ist der Vorteil einer regulierten Abgabe?

Konsumenten wissen dann, was sie konsumieren. Es gibt mittlerweile ganz unterschiedliche Anbaumethoden. Ein Beipackzettel könnte über die Wirkstoffe und mögliche Nebenwirkungen informieren. Man könnte darüber aufklären, was man beim Konsum beachten muss. Und der wäre nicht mehr so tabuisiert und stigmatisiert. Konsumenten könnten schneller in Hilfseinrichtungen kommen, wenn sie Probleme haben.

Den Einschätzungen nach zu urteilen, wird ein Antrag aus Berlin für ein solches Modellprojekt abgelehnt. Wie kann es weitergehen?

Wir haben noch einen langen Weg vor uns. Bis dahin müssen wir verschiedene Ideen und Ansätze entwickeln, damit das Thema im Gespräch bleibt. Niemand ist mit der momentanen Situation glücklich. Es kann nur im öffentliches Interesse liegen, dass da etwas verändert wird.

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