Kommentar Grenzen dicht in Deutschland: Absurde Kehrtwende

Die Grenzkontrollen sind ein fatales Signal. Merkel verspielt international ihr Kapital und ermuntert andere Länder, es Deutschland gleichzutun.

Zwei Polizisten stehen an einem Schlagbaum an einer Grenze

Erster Schritt Grenzkontrollen, nächster Schritt ungewiss. (Archivbild) Foto: imago/Sepp Spiegl

Nur wer ein gültiges Reisedokument hat, darf ab sofort nach Deutschland einreisen. So klingt Beamtendeutsch, so klingt Thomas de Maizière, als er verkündet, an der deutsch-österreichischen Grenze vorübergehend Grenzkontrollen einzuführen. Das bedeutet: Keine Züge kommen mehr an, die Polizei steht an den Grenzen, das Schengen-Abkommen ist außer Kraft gesetzt.

Die Bundesregierung setzt damit ein fatales Signal. Nachdem CSU-Chef Horst Seehofer in bekannt populistischer Manier Ungarns Hardliner Viktor Orbán eingeladen hat, macht Kanzlerin Angela Merkel ihm ein Geschenk. „Wir haben es immer gesagt, so konnte es nicht weitergehen“, wird bei denjenigen ankommen, die in Onlineforen die besorgten Bürger geben.

Da greift auch das Argument nicht, mit dem de Maizière die Entscheidung rechtfertigt: Deutschland sei bei der Aufnahme von Flüchtlingen ans Limit geraten und man müsse zu Ordnung und Sicherheit zurückfinden. Hängen bleibt: Erster Schritt Grenzkontrollen, zweiter Schritt ungewiss. Damit folgt die Bundesregierung der Politik Dänemarks und Ungarns.

So konterkariert Angela Merkel das Image, in dem sie sich international sonnt. Ein Image, das Deutschland als Land zeigt, das in einer humanitären Krise handelt. Menschlich, unbürokratisch – und so die restriktive Politik anderer EU-Staaten entlarvt. Teil dieses Images ist die Hilfsbereitschaft der Menschen an den Bahnhöfen und Notunterkünften. Merkel und alle anderen nahmen diese Bilder gerne mit.

Dagegen jetzt Bilder von Polizisten an Schlagbäumen zu setzen, ist absurd. Diese Kehrtwende löst keine strukturellen Probleme, die die Bundesländer bei der Betreuung der Flüchtlinge haben. Nicht nur ist diese Symbolpolitik falsch, sie wird faktisch an den Grenzen nicht durchzuhalten sein.

Merkel sollte ihr Gewicht in Europa dafür einsetzen, endlich eine europäische Lösung zumindest für die Verteilung der Flüchtlinge zu erreichen. Über geschlossene Grenzen Druck auf die EU auszuüben wird nicht helfen. Im Gegenteil: Merkel wird ihr Kapital in dieser Frage verspielen und im Zweifel andere Länder ermuntern, es Deutschland gleichzutun.

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Jahrgang 1980, studierte Journalistik und Amerikanistik an der Universität Leipzig und der Ohio University. Seit 2010 bei der taz, zunächst Chefin vom Dienst, seit Juli 2014 Leiterin von taz.de. Schreibt schwerpunktmäßig Geschichten aus den USA.

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