Wie man „Nichts-Tuer“ loswird: Kampf den Unliebsamen

In Bremen lehrt eine Anwaltskanzlei, wie man lästige Mitarbeiter besonders günstig loswird. Dieses „Union Busting“ ist ein lukrativer Markt.

Mahnwache gegen Union Busting

Drinnen lief das Seminar, draußen die Mahnwache. Foto: Jan Zier

BREMEN taz | Mit einer Mahnwache protestierten gestern etwa 30 linke AktivistInnen und Gewerkschafter vor der Kanzlei Wittig Ünalp in der Bremer Innenstadt.

Max Wittig und Kagan Ünalp, Fachanwälte für Arbeitsrecht, boten dort zeitgleich ein „arbeitgeberfreundliches“ Seminar zu den „Top Ten der besten Kündigungsgründe“ an. Es gehe da um jene, die man heute oft Low-Performer nennt: „Arbeitszeitbetrüger (Facebooker, E-Mailer, Dauerraucher), Nichts-Tuer, Falschmacher, Überflüssige, Unflexible, Unruhestifter, Kollegen-im-Stich-Lasser“ oder „häufig Kurzerkrankte“, wie es in der Einladung der Kanzlei heißt. Der „Crash-Kurs“ soll Firmen helfen, „keine oder nur geringe Abfindungen zahlen zu müssen“.

Wer 20 Jahre in einem Betrieb arbeitet, der kann bei einer betriebsbedingten Kündigung eine Abfindung von zehn Bruttogehältern bekommen. Erheblich günstiger als eine betriebsbedingte ist jedoch eine pesonenbezogene Kündigung, so Herbert Thomsen von der Gewerkschaft Industrial Workers of the World (IWW), die zu dem Protest mit aufgerufen hat.

Was die Anwaltskanzlei Wittig Ünalp hier gestern anbot, für 175 Euro plus Steuern, nennen Kritiker „Union Busting“ oder „Union Bashing“: Das systematische und professionell geplante Vorgehen gegen gewerkschaftliche Interessenvertretungen und Arbeitnehmerrechte. In den USA ist das längst ein etabliertes Geschäftsfeld. Die Bremer Kanzlei ist Elmar Wigand, Mitautor der 2014 veröffentlichten Studie „Union Busting in Deutschland“ erst vor kurzem aufgefallen: „Die versuchen, sich mit einigem Aufwand neu im Marktsegment der Hardcore-Arbeitsrechtler zu etablieren“, so Wigand, Mitautor des Buches „Die Fertigmacher. Arbeitsunrecht und professionelle Gewerkschaftsbekämpfung“.

„In die falsche Ecke gestellt“

„Solche Leute machen uns unsere Arbeitsverhältnisse noch beschissener, als sie jetzt schon sind“, sagen die DemonstrantInnen. Die Kanzlei selbst sieht sich „in die falsche Ecke gestellt“, sagt Anwalt Tim Varlemann zur taz. Man vertrete auch Arbeitnehmer. „Wir haben uns nichts vorzuwerfen“, sagt Varlemann. Es gehe nicht darum, „gute Arbeitnehmer zu entlassen“ – sondern „Problemfälle“.

Der Markt für Union Buster ist nach Wigands Worten „sehr lukrativ“. „Wir leben in unsicheren Zeiten. Je größer der Druck ist, der auf Geschäftsführern und Personalleitern lastet, desto gefragter sind solche Dienste“, sagt Wigand, Mitbegründer der Initiative „aktion./.arbeitsunrecht“, die Unterstützung für Betriebsräte in Not leistet. „Diese „Fertigmacher“ sind die Hilfstruppen, ohne die im heutigen Kapitalismus kein größeres Unternehmen mehr auszukommen meint“, sagte der Co-Autor des Buches Werner Rügemer in einem Interview mit den Nachdenkseiten. Er unterscheidet drei Gruppen von Union Bustern: Jene, die direkt mit den Beschäftigten und ihren Vertretern zu tun haben, das Spektrum der Unternehmerlobby - und den Staat, der Rahmenbedingungen wie die Hartz-Gesetze schafft.

Nach Wigands Worten gibt es in Deutschland eine „große Szene“, die im Bereich Union Busting aktiv ist. Ihre Dienste böten sie oft „unter der Ladentheke“ an, sagt Wigand, oder verbrämen sie in Titeln wie „Schwierige Kündigungen rechtssicher gestalten“. Gerade etablierte Kanzleien schreckten oft davor zurück, offen als Union Buster aufzutreten. „Sozietäten wie Hogan Lovells, Taylor Wessing und Ruge Krömer wollen ihren tadellosen Ruf wahren und Öffentlichkeit wie Gewerkschaften nicht unnötig verschrecken“, so Wigand. „Daher treten sie scheinbar seriöser auf, auch wenn die angewandten Methoden sich in konkreten Fällen ähneln.“ Aufgefallen seien sie beim Versandhändler Amazon, dem norddeutschen Verpackungsmittelhersteller Neupack oder dem Auricher Windanlagenbauer Enercon.

Gesetzlich „nichts zu machen“

Die Geschäfte der Kanzlei Wittig Ünalp sind „total legal“, sagt der Gewerkschafter Thomsen, gesetzlich sei da auch „nichts zu machen“. Ihre Seminar-Einladungen verschickten die Anwälte an alle Mitglieder der Industrie- und Handelskammer. Durch arbeitgeberfreundliche Arbeitsrechts-Schulungen sei die Kanzlei schon früher aufgefallen, so Thomsen, nun sei ihre Werbung „aggressiver“. Sie richte sich gezielt an kleinere und mittlere Unternehmen –die dann hernach womöglich zu Mandanten werden. Wer in einem Betrieb mit weniger als zehn MitarbeiterInnen arbeitet, hat eh weniger Kündigungsschutz. Und die großen Gewerkschaften hätten sich „auf Großbetriebe zurück gezogen“, so Thomsen, in kleineren Firmen könnten oder wollten sie oft nicht aktiv werden.

Bei der Gewerkschaft Ver.di hat man bisher „keine Erfahrungen“ mit der Kanzlei Wittig Ünalp gesammelt und plant auch „keine Aktionen“, erklärt eine Ver.di-Sprecherin.

Opfer von Union Busting könnten zwar klagen, so Thomsen – aber das mache „kaum einer“, der in der Firma bleiben wolle, so dass es meist nur um „Schadensbegrenzung“ in Form von einer Abfindung geht. Erfolge gegen Union Buster lassen sich dennoch erzielen, so die Aktivisten – wenn „Schweinereien“ öffentlich werden und die MitarbeiterInnen organisiert seien.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.