Legalisierungsdebatte um Gras: Ist ein Cannabis-Verbot zeitgemäß?

Beamte fordern Coffeeshops, während immer noch viele fürs Kiffen und Dealen ins Gefängnis gehen. Deutschland braucht einen neue Cannabis-Politik.

Eine Polizistin im Schutzanzug vor einer Cannabisplantage

Cannabis im Wert von einer halben Million Euro stellte die Polizei auf dieser Plantage in Lüneburg sicher. Foto: dpa

Menschen nehmen Drogen, seit Urzeiten, in jeder Kultur. Ein Rauschmittel hat es ihnen dabei besonders angetan: Cannabis. Die Blüten und das Harz der weiblichen Hanfpflanze gehören zu den beliebtesten bewusstseinsverändernden Substanzen, mehr als 4% der Weltbevölkerung konsumieren sie.

Das filigrane Hanfpflänzchen wächst in den letzten Jahren aus dem Schatten der Illegalität. In einigen lateinamerikanischen Ländern, in fast der Hälfte der US-Bundesstaaten und in Kanada wurden die Gesetze in den letzten Jahren erheblich gelockert. Wer in Deutschland Gras anbaut oder verkauft, kann dafür immer noch ins Gefängnis gehen.

Wie Pascal N. Vor Gericht sagt der junge Berliner, dass er selbst nicht kiffe. 2012 überließ er aber sein Wohnzimmer einem holländischen „Investor“. Der klebte die Fenster ab, damit die Nachbarn nichts mitbekamen, brachte die Pflanzen mit, sorgte für das richtige Licht, das die Pflanzen zum Wachsen brauchen. Sie ernteten, der Holländer war mit dem Ergebnis unzufrieden. Irgendwann, als Pascal N. von einer Schicht als Fahrkartenkontrolleur nach Hause kam, war alles weg. Auch der „Investor“. Erst im Gerichtssaal sieht N. ihn wieder.

Zu gleichen Zeit, auch in Berlin, stellt ein Beamter des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg einen Antrag beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Er, der Suchtkoordinator Horst-Dietrich Elvers, will Deutschland seine ersten vier Coffeeshops bescheren. Er ist überzeugt: Wenn man die Droge entkriminalisiere, könne man mit Jugendlichen besser über sie reden, auch über die Gefahren, die Gras mit sich bringt. Die Coffeeshops wären ein Schutz und gleichzeitig Abwehr, gegen die Dealer und gegen die Gewalt, die illegaler Drogenhandel verursacht. Elvers sieht sich als korrekten Beamten, er ist kein Altkiffer, der sich sein Gras unbesorgt kaufen will. Regionaler, ja, lokaler Marihuana-Anbau wäre seiner Meinung nach ideal, besser für die Umwelt.

Elvers sieht sich als korrekten Beamten, er ist kein Altkiffer, der sich sein Gras unbesorgt kaufen will.

Elvers hat viele Lokalpolitiker auf seiner Seite, sogar welche von der CDU. Alle wollen einen kontrollierten Verkauf, der Staat soll mitverdienen. Das, was die Polizei organisiertes Verbrechen nennt, könnte so bekämpft werden.

Anfang Oktober 2015 antwortet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf die Anfrage des Bezirksamts: Es sieht sich nicht zuständig, Antrag abgelehnt.

Im Gerichtssaal in Berlin Moabit, wo Pascal N. angeklagt ist, sind auf den Zuschauerbänken meistens wenige Leute, seine Eltern, die Freundinnen der Mitangeklagten. Eines Tages sitzen da drei massige Männer, sie sehen aus wie Rocker. Die Worte „Hells Angels“ fallen an diesem Tag nicht, aber jeder weiß: Der Prozess wird beobachtet. Welche Rolle spielt Bandenkriminalität in dem Fall?

Die taz. am wochenende hat den Prozess über mehrere Monate begleitet. Wir haben mit den Angeklagten und den Verteidigern gesprochen, und natürlich mit Horst-Dietrich Elvers, der seine Idee der legalen Coffeeshops noch immer nicht aufgegeben hat.

Ein junger Mann aus Spandau kommt vor Gericht wegen Hanfanbaus. In Kreuzberg denkt man derweil über die Eröffnung von Coffeeshops nach. Ist das Cannabis-Verbot noch zeitgemäß? Oder wächst es uns über den Kopf? Die Titelgeschichte „Voll Gras!“ lesen Sie in der taz.am wochenende vom 17./18. Oktober. Außerdem: Zwei Brüder, zwei Reisen. Einer kam Ende der Sechziger aus Syrien nach Frankfurt, der andere vor einem Jahr. Jetzt sind sie wieder vereint. Und: Freilerner sind Kinder, die zu Hause unterrichtet werden. Mit den Behörden geraten sie regelmäßig in Konflikt – wegen der Schulpflicht. Zu Gast in einer WG. Das alles gibt es am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.

In den USA wollen inzwischen die Erben von Bob Marley ins legale Geschäft mit Cannabis einsteigen, der Rapper Snoop Dogg beteiligt sich an einem Gras-Lieferservice und startete vor Kurzem ein Marihuana-Portal. Es gibt Berichte über die ersten legalen Cannabis-Millionäre.

Und auch in Deutschland bewegt sich etwas. Mittlerweile kämpft nicht mehr nur die Grüne Jugend für eine Lockerung der Gesetze. Selbst der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-CSU-Bundestagsfraktion, Joachim Pfeiffer, spricht sich für eine Legalisierung der Droge aus.

Was meinen Sie, ist das Cannabis-Verbot zeitgemäß? Welches Legalisierungsmodell könnte in Deutschland funktionieren?

Diskutieren Sie mit!

Die Titelgeschichte „Da wächst was“ lesen Sie in der taz. am wochenende vom 17./18. Oktober.

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