Container-Transport mit Binnenschiffen: Ohne Tiefgang

Viele Güter werden vom Hamburger Hafen über Autobahnen abtransportiert. Binnenschiffe auf der Elbe wären umweltfreundlicher und billiger.

Schiffshebewerk Scharnebeck

Zu alt und zu zu klein: das Schiffshebewerk Scharnebeck in Niedersachsen. Foto: dpa

HAMBURG taz | Wie gelangen Waren aus dem Hamburger Hafen nach Prag, Dresden oder Berlin? Per Lastwagen. Dabei könnte ein Großteil der Güter vergleichsweise umweltschonend per Binnenschiff weitertransportiert werden.

Andere große europäische Häfen wie Rotterdam und Antwerpen machen es vor: Sie nutzen vor allem die sogenannte Rheinschiene für Transporte ins Ruhrgebiet und in die Schweiz. In Hamburg liegt der Anteil der Binnenschifffahrt am Container-Hinterlandverkehr dagegen nur bei zwei Prozent – per Lastwagen verlassen mehr als 59 Prozent Europas zweitgrößten Hafen. Gründe für die geringe Nutzung des umweltverträglichsten und preiswertesten Verkehrsmittels sind zwei Nadelöhre auf der Elbstrecke.

Das eine ist das Schiffshebewerk in Scharnebeck am Elbe-Seiten-Kanal bei Lüneburg. Es bildet das Scharnier zwischen Elbe und Mittellandkanal, der Hamburg mit Rhein und Ruhr, Ems und Havel verbindet. Die betagte Anlage ist störungsanfällig und zu kurz für den Einsatz moderner Großbinnenschiffe. Eine neue, 225 Meter lange Schleuse soll das Schiffshebewerk fit für einen größeren Warenstrom mit dem Hamburger Hafen machen.

Deshalb trat Hamburg vergangene Woche dem Bündnis Elbe-Seitenkanal bei. Dieses fordert von der Bundesregierung, den Schiffsaufzug in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans bis 2030 aufzunehmen.

Im Vergleich zu Straße und Schiene ist die Binnenschifffahrt ein recht sauberes Verkehrsmittel. Doch ohne Belastungen funktionieren selbst die Wasserstraßen nicht:

Mit der Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG hat sich die EU im Herbst 2000 verpflichtet, alle Binnengewässer bis 2015 in einen „guten ökologischen und chemischen Zustand“ zu versetzen.

Gradmesser für intakte Gewässer sind Fische und wirbellose Kleinlebewesen, Algen und Wasserpflanzen. Gut 80 Prozent der deutschen Flüsse und Bäche verfehlen trotz Fortschritten dieses ehrgeizige Ziel, heißt es in einer Studie des Umweltbundesamtes.

Zur Renaturierung von Flüssen und Auen hat das Bundesverkehrsministerium ein Programm „Blaues Band“ erarbeitet. Im Zentrum stehen Bundeswasserstraßen wie die Elbe. „Durch die intensive Nutzung besteht hier ein besonderer Handlungsbedarf“, so der Nabu.

Ein „Gesamtkonzept Elbe“ könnte dazu beitragen, Schifffahrt und Umweltschutz zu versöhnen. So gräbt sich auf der rund 110 Kilometer langen Strecke zwischen Mühlberg und Coswig die Elbe immer tiefer in die Landschaft ein: Und gefährdet das Grundwasser weiter Regionen und die letzten Auenwälder Europas.

„Hamburg engagiert sich für einen höheren Anteil der Binnenschifffahrt im Hinterlandverkehr“, behauptet Hamburgs parteiloser Wirtschaftssenator Frank Horch. „Endlich“, heißt es in der Hafenwirtschaft. Die Elbe und ihre Nebenflüsse durchlaufen viele Wirtschaftsräume, diese müsse man „viel intensiver nutzen“, forderte kürzlich auch der neue Chef der Buss-Logistikgruppe, Marco Neelsen, bei seinem Amtsantritt.

Weit dringlicher als die Erweiterung des Schiffshebewerks bei Lüneburg findet die maritime Wirtschaft in Norddeutschland die „Ertüchtigung“ des Flusses, dem Hamburg seinen Wohlstand verdankt. Die Schienen- und Straßenanbindungen des Hamburger Hafens sind schon jetzt überlastet. Die Wasserstraße Elbe könne die dringend benötigte Entlastung bringen, verlangen norddeutsche Wirtschaftsverbände.

Voraussetzung dafür wäre eine Beseitigung der letzten Engpässe. Eigentlich nur eine Sache von wenigen Zentimetern: Damit die traditionsreiche Strecke zwischen Hamburg und Dresden an 365 Tagen im Jahr befahren werden kann, wird lediglich eine Fahrrinnentiefe von 1,60 Meter benötigt.

Der Transport von Massengütern in Containern und die wachsende Bedeutung von hochwertigen, aber sperrigen Industriegütern wie Generatoren und Windkraftanlagen machen den Wasserweg immer attraktiver. „Binnenschiffe könnten wesentlich stärker genutzt werden“, glaubt daher auch ein Sprecher der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Dabei mangelt es bei der Elbe nicht vorrangig am Geld, sondern eher an der Planung.

Bereits für den Herbst 2013 hatte der Bund ein „Gesamtkonzept Elbe“ angekündigt, inzwischen stellt Verkehrsminister Dobrindt dies für 2017 in Aussicht.

Bewegung in den Elbe-Streit soll nun die Bund-Länder-Kommission „zur Erarbeitung eines Elbe-Gesamtkonzeptes“ bringen, die in dieser Woche erstmals tagte. Und Hamburg hat eine Forderungen an das Gremium formuliert: „Wir brauchen eindeutig eine minimale Abladetiefe von 1,40 Meter plus 20 Zentimeter“, sagt Stefan Kunze von Hamburg Hafen Marketing.

Das sieht Iris Brunar vom Umweltverband BUND anders. So werde die Bedeutung der Elbe für den Verkehr oft überschätzt. Konstante Mindestfahrttiefen von 1,60 Meter könne eine naturnaher Fluss nicht bieten: „Das ist nur mit Staustufen möglich“, so Brunar. Und diese Denaturierung des Flusses und seiner Auen könne nicht einmal Hamburg wünschen.

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