Ökologisches Design: So ein Müll

Viel Abfall ließe sich vermeiden, wenn man das Design nachhaltiger planen würde. Doch die meisten Firmen haben kein Interesse daran.

Ein bunter Haufen Kaffeekapseln

Platz eins für dummes Design geht an die Kaffeekapsel. Foto: dpa

Wenn es ein Symbol gibt für Überfluss, für vermeidbaren Müll, rausgeschmissenes Geld und eine Ökobilanz zum Fürchten, dann sind das Kaffeekapseln. Kleine, mit Kaffeepulver gefüllte Behälter, die, in eine Maschine gesteckt, eine Tasse Kaffee ergeben. Kurze Nutzung, viel ressourcenintensives Aluminium und der Kapselverbrauch allein in Deutschland verursacht 4.000 Tonnen Müll. Pro Jahr. Kaffeekapseln sind ein Beispiel für das Problem. Und eines für die Lösung. Aber dazu später.

Wer über Abfall spricht, nennt üblicherweise Hausmüll, trennt zwischen Papier- und Umverpackungen und wirft vielleicht noch einen Blick in Richtung Biotonne. Dabei fängt Abfall früher an. Nicht im Laden, der das Produkt verkauft, nicht in der Fabrik, in der die Teile zusammenbaut werden, und auch nicht beim Abbau der Rohstoffe. Sondern noch einen Schritt davor: bei der Planung.

Bei der Entscheidung, ob die Waschmaschine die Beladung misst, bevor sie das Wasser in die Trommel pumpt. Ob das Fertiggericht doppelt oder dreifach verpackt wird. Und woher das Gold kommen soll, das in den Elektronikchips steckt. Abfall beginnt beim Design.

Es gibt eine Reihe von Unternehmen, denen das schwer fällt. Und das sind keineswegs nur die Anbieter von Billigwaschmaschinen und Einweg-Stabmixern, die auseinanderfallen, noch bevor man sie das erste Mal in Betrieb genommen hat. Es sind auch Unternehmen wie Apple.

Wenn die Massen auf die Straße gehen, können Regime fallen. Neue Hoffnung wächst. Und dann? Wir fragen Menschen aus der ehemaligen DDR, der Ukraine und Tunesien, was von ihrer Revolution geblieben ist. Die Titelgeschichte „Was bleibt von einer Revolution“ lesen Sie in der taz. am wochenende vom 7./8. November. Außerdem: Wer über Müll spricht, muss auch über Design reden. Eine Sachkunde der guten Verpackung. Und: Die schaffen das! Unsere KorrespondentInnen haben FlüchtlingshelferInnen besucht. Das und mehr gibt es am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.

Finger weg!

Ausgerechnet ein Konzern, der berühmt ist für die Optik seiner Produkte, für eine hohe Bindung des Kunden an die Marke. Und der damit beste Voraussetzungen dafür mitbringt, dass Kunden die Produkte kaufen. Und wenn sie nicht gestorben sind, starren sie noch heute selig auf ihr iPhone. In der Praxis ist es aber so, dass sie am Lebensende eher auf ihr dreißigstes bis vierzigstes Smartphone schauen werden. Kaum jemand nutzt sein Smartphone heute noch länger als zwei Jahre.

Kein Wunder: Wer sein iPhone mal öffnen will, vielleicht, weil es etwas Feuchtigkeit abbekommen hat oder nur, um dem alten Gerät einen frischen Akku zu verpassen, kann seinen Werkzeugkasten gleich wieder zuklappen. Ohne Spezialschraubenzieher geht hier nichts. Noch bevor Nutzer an fest verklebten Akkus und auf der Suche nach dem Speicher scheitern können, stellt Apple klar: Finger weg! Nicht öffnen, nicht reparieren, schon gar nicht selbst.

Aber: Wie wahrscheinlich ist es, dass ein Nutzer sein Smartphone an den Hersteller schickt, wochenlang ohne Telefon lebt und geduldig wartet, bis es zurückkommt? Eben. Also doch neu kaufen.

Blütenförmige Schrauben von Apple, Kaffee in münzengroßen Einmalkapseln, und bei den Steckern für Handyladegeräte kann immer noch jeder Hersteller machen, was er will. Ein verpflichtendes, einheitliches Format soll es erst ab 2017 geben. So lange fallen in der EU jährlich 51.000 Tonnen Elektroladegeräteschrott an.

Lass mal den Markt machen

Das alles ist das Gegenteil von ökologischem, nachhaltigem Design. Und ein Symptom dessen, was passiert, wenn man den Markt einfach mal Markt sein lässt. Denn nachhaltiges Design – so glauben die Hersteller – verkauft sich nicht gut. Will ihnen nicht in den Kopf, dass Kunden, die gute Erfahrungen mit einem Gerät machen, das lange hält, reparierbar ist und wenig Energie verbraucht, den Hersteller weiter empfehlen oder ein weiteres Produkt von ihm kaufen und dafür gern auch etwas mehr zahlen?

Sie haben nicht mal unrecht. Nur ist auch dieses Problem hausgemacht. Denn ein hoher Preis bedeutet nicht gleich eine lange Haltbarkeit, auch wenn Kunden das gern glauben. Wer einmal viel Geld ausgegeben hat und trotzdem kurz nach Ablauf der Garantie auf einem Haufen Elektroschrott saß, der greift beim nächsten Kauf doch zur billigen Konkurrenz. Solange Kunden nicht zwischen teuer und hochwertig und teuer und minderwertig unterscheiden können, ist eine bewusste Wahl schwierig.

Ein Siegel könnte vielleicht helfen, eine Art Mindesthaltbarkeitsdatum für Geräte. Oder eine deutlich längere Gewährleistung, in der Hersteller bei einem Defekt beweisen müssen, dass der Kunde ihn verursacht hat. Dass so etwas kommt, ist eher unwahrscheinlich: Die EPP, die größte Fraktion im EU-Parlament, hat schon angedeutet, dass sie sich wenige Vorschriften wünscht für die anstehende Neuregelung zur Kreislaufwirtschaft. Sie will den Markt einfach mal Markt sein lassen.

Der zählt doch!

Bei so viel Markt im Müll ist es kein Wunder, dass bei Elektrogeräten noch ein weiteres Problem hinzukommt: die geplante Obsoleszenz, also der gewünschte Defekt eines Geräts. Wenn sich bei einem Schrank ein Bauteil ablöst, lässt sich einigermaßen beurteilen, ob hier beim Aufbau geschlampt wurde oder das Material schlecht verarbeitet wurde. Doch wer kann das Innenleben einer Waschmaschine fachgerecht beurteilen? Oder die Technik einer Smartwatch?

Zunehmend werden elektronische Komponenten in Geräte verbaut, die einst rein mechanisch funktionierten. Damit können Hersteller Sollbruchstellen nicht mehr nur in Bauteilen verstecken, sondern auch in der Software. Viele Verbraucher kennen das Problem von Druckern, deren Farbkartusche sich als leer meldet, obwohl noch Farbe vorhanden ist – wäre da nicht dieser Zähler, der nach einer bestimmten Anzahl gedruckter Seiten signalisiert: bitte austauschen.

Wie sich ökologisches Design mal ganz anders begreifen lässt, zeigt ein Schweizer Unternehmen. Das hat aus der Kaffeekapselverschwendung eine Geschäftsidee gemacht: Ein kleiner Behälter aus Metall, der sich statt der Kapsel in die Maschinen einsetzen lässt, der selbst befüllt und nach Gebrauch gespült wird. So wird durch ein kleines Teil aus einem maximal unökologischen ein verhältnismäßig nachhaltiges Design. Natürlich nur, wenn die Hersteller der Kaffeemaschine keinen Zähler eingebaut haben.

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