Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Der IS ist jetzt vollwertiger Kriegsgegner, die Kanzlerin braucht Schutz und Schäuble bekommt 100 Punkte auf der Käßmann-Skala.

Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Grund zur Sorge: Die irrlichternde Kanzlerin vor ihrer eigenen Partei zu beschützen, wird eng. Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Die klammunheimliche Vorfreude aller derer, die nun auftrumpfen.

Und was wird besser in dieser?

De Maiziére hat bereits den „Besonnenheits“-Textbaustein vom Charlie-Hebdo-Massaker wieder vorgeholt. In solchen Momenten möchte man den Innenminister wieder loben.

Am Freitag haben islamistische Attentäter mindestens 129 Menschen in Paris getötet. Uns fehlen die Worte. Können Sie uns helfen?

Beim Schweigen? Gern. Wollen wir noch kurz Herrn Söder das Smartphone wegnehmen?

Was wird sich verändern?

Wollen wir noch kurz Herrn Söder das Smartphone wegnehmen?

Was sich bereits verändert hat: Hollande erkennt IS als vollwertigen Kriegsgegner an. Auch bisher mögen die französischen Kriegsflugzeuge über Syrien und Irak von unten nicht wie Stimmungskanonen ausgesehen haben. Frankreichs postkoloniales Desaster in Libyen und seine Rolle als Teil westlicher Allianzen waren Kriegshandlungen, bevor man es so nannte. Die Infamie der gegnerischen Strategie lässt sich, schlimm genug, auf die Anwendung humanoider Drohnen gegen technologische reduzieren.

In Paris starb auch die selbstgerechte Lüge von westlichen Kriegseinsätzen als gutgemeinte Heilsarmee. Und die Henne-oder-Ei-Debatte steht bevor und ergibt nur den einen Sinn: keinen. Auf internationaler Ebene also liegt die Einladung zur Eskalation vor. Wohin will Hollande, wohin „der Westen“ seine Armeen schicken? In Konzertsäle, in Straßencafés? Auf nationaler Ebene wird es eng, die irrlichternde Kanzlerin vor ihrer eigenen Partei zu beschützen.

Helmut Schmidt ist tot. Wer erklärt uns denn jetzt die Politik?

Das liegt tragisch beieinander dieser Tage: Die große Anhänglichkeit der deutschen Bevölkerung an einen „starken Mann“. Bis hin zu ohnmächtigen Gesten wie dem „Autofreien Sonntag“ und dem „Haarschnitterlass“ beim Bund verpackte Schmidt die vordemokratische Sehnsucht in die Hülle des verantwortlichen demokratischen Politikers. Der Hardcorepreuße verkörperte den einsam entscheidenden ersten Diener des Staates. Das Moderne an ihm war die frivole Selbstherrlichkeit, mit der er für sich selbst ein paar punkige Flegeleien monarchisch auslebte.

Grob kann man die deutschen Regierungschefs in die Lager der gestaltenden und die verwaltenden unterteilen. Und nur, wenn Veränderung notzutun scheint, neigen die gemütlichen Deutschen zu Handlungspolitikern wie Brandt, Schmidt, Schröder. Mit Merkel stand bisher eine Beharrungskünstlerin in der Tradition des „Keine Experimente“-Adenauer vorn, eine Mikadokönigin vom Schlage Kohls. Genau das – und darin liegt die berührende Koinzidenz mit dem Tod Schmidts – kann nun ihr Nachteil werden: Je hysterischer die Stimmung wird, desto eher wendet sich die Stimmung gegen genau das, was die Gesellschaft jetzt braucht: Mediation, Vermittlung – statt Aktionismus.

Nach Wellen, Anstürmen und Schwemmen habe wir es jetzt mit einer Flüchtlingslawine zu tun, glaubt man Schäuble. Ist das rhetorisch noch zu toppen?

Ich will nun auch nicht der Klugscheißer mit Kassenbrille sein, der fingerschnippend besserweiß. Ach komm, auch egal. Also. „Wir müssen der Herausforderung Herr werden“ kann man auch formulieren als „wir wollen der Hereinforderung Mensch werden“. Für so etwas gibt es guillotinensicher 100 Punkte auf der nach unten offenen Käßmann-Skala. Doch auch Pomadenprinz Guttenberg wurde seinerzeit bejubelt, als er den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan „Krieg“ zu benennen forderte.

Nun södern manche bereits beides zusammen, „Flüchtlinge“ und „Krieg“ – und spätestens da ist es dann nicht mehr der Sprachhygienekreis des Kirchentags, wenn man dreinhaut. Nehmen wir etwa den Totalausfall der Vertriebenenverbände zu Protokoll: Wenn 800.000 neue Autofahrer kämen, würde der ADAC sie an der Grenze feiern. Unsere Steinbachsekte dagegen feuert drauf und schafft sich damit ab. Es sind Vertriebene, es gibt eine Flüchtlingschance, eine Aufgabe gewiss. Risiken auch. Und was etwa Schäuble da über Lawinen redet, verhält sich zu den Ausschreitungen der Zukunft wie Sarrazin zu Pegida.

Und was machen die Borussen?

Es wird ein ewiges Geheimnis der ARD bleiben, warum sie die Berichterstattung in der Horrornacht von Paris den heillos geschockten Sportkollegen überließ, die hilflos noch ein paar Spielzusammenfassungen ins Programm erbrachen. BVB-Präsident Rauball, kommissarischer DFB-Chef, machte seine Sache gut und sprach wenig und gut. Dann war ARDaktuell wach und übernahm endlich.

Fragen: PWE, HDL, JÜK

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