Nervende Möchtegern-Umweltschützer: Die Ritter der Stoffbeutel

Facebook ist schuld! An Ökohipstern – Besserwissern, die meinen, als Einzige die Umwelt zu schützen. Dabei sind sie vor allem eines: Opportunisten.

Auf einem Stoffbeutel steht "I can dance my name"

Sind bei Ökohipstern beliebt: Stoffbeutel mit Aufdruck. Foto: imago/robert fishman

Als Frau ist man ja immer wieder mit Slut-Shaming konfrontiert. Das ist, wenn sich andere daran stören, dass eine Frau sich etwa „zu früh“ auf eine Beziehung einlässt, One-Night-Stands hat oder – Gott behüte – zu kurze Röcke trägt und dann darüber gesprochen wird, als würde das irgendjemanden einen feuchten Dreck angehen. Kennt man. Eine eher neue und offenbar in Berlin sehr verbreitete Variante des Shamings ist aber das Öko-Shaming.

Betrieben meist von jungen Menschen, die mit der fordernden Haltung von Versicherungsvertretern und dem vorwurfsvollen Ton der katholischen Kirche ihren Lebensstil vor sich hertragen und ihn anderen aufzwängen wollen. „Menstruationstassen!“ fordern die dann. Und: „Filterkaffee!“ Meist gefolgt von: „Habt ihr euch schon mal überlegt, wie umweltschädlich das ist?“ Die Ähnlichkeit zum Slut-Shaming liegt darin, dass gezielt Unterlegenheit, Reue und Scham beim Gegenüber hervorgerufen werden sollen.

Besonders häufig ist dieser Typ Mensch in Wohngemeinschaften zu finden, Alter zwischen 20 und 30 Jahren, Marke Ökohipster. Gäbe es Studien, würden sie zeigen, dass diese Gruppe von Menschen eine der vielen Ausgeburten der Facebook-Generation ist. Sie lesen etwas im Internet, oft reicht schon der Titel eines Artikels aus, und übernehmen dann eine Haltung, weil die irgendwie klug klingt, irgendwie plausibel ist oder weil ihre Ökohipster-Freunde eine ähnliche Meinung haben.

Mit etwas Glück ist diese Haltung faktisch auch gar nicht falsch. Dass etwa Kaffeekapseln überflüssigen Mist machen und Aluminium doof ist, stimmt ja. Das Problem ist aber, dass diese Ökohipster nun faustschwingend auf ihre Umgebung losgehen, ohne auch nur eine Sekunde ihren eigenen Lebensstil zu überprüfen. Da gibt es Kaffeekapselgegner, die weder Müll trennen noch jegliche Verhältnismäßigkeit im Verbrauch von Alufolie kennen. Da wird eingewickelt, als gäbe es kein Morgen.

Neueste Öko-Mode: Menstruationstasse. Kann man machen, muss man nicht

Es ist die Doppelmoral dieser opportunistischen Möchtegern-Umweltschützer, die einen auf die Palme bringt. Sätze wie „Also ich lese ja nur noch digital, Zeitungen machen so viel Müll“. Ja, stimmt. Aber dann sollte man vielleicht auch nicht für jeden Wasserfleck Küchenrolle verwenden, nur weil die Werbung sagt, das müsse so sein. Und die Stoffbeutel-Ritter! Gute Sache. Die selbstgebackenen Brötchen frieren sie aber dennoch in Plastikbeuteln ein, die sie nach einmaligem Benutzen wegwerfen. Aber Hauptsache, sie fahren mit dem Auto („Dienstwagen!“) zu diesem tollen, total hippen Supermarkt zwei Stadtteile weiter, in dem man unverpackte Waren kaufen kann. Standing Ovations.

Am liebsten sprechen die Ökohipster aber darüber, wo man einkaufen darf und wo nicht. Lidl (böse), H&M (ganz böse) und Kik (teuflisch). Weil: Ausbeutung der Arbeiter, Kinderarbeit, Chemikalien, Transportwege. Wenn man so einem Gespräch lauschen darf, macht es einen Heidenspaß, sie ganz tief einsteigen zu lassen in ihre Vorwürfe und die Empörung. Und wenn sie dann knietief in ihrer Verachtung für andere stehen, dann wirft man die Frage in die Runde, was sie eigentlich denken, wo das Koks herkommt, das sie sich jedes Wochenende so genüsslich ins Hirn ziehen. Das ist Gold wert, wirklich.

Der Erde droht der Hitzekollaps. Deshalb wollen die Staatschefs der Welt Anfang Dezember in Paris einen globalen Klimaschutz-Vertrag vereinbaren. Die taz berichtete vom 28. November bis zum 14. Dezember 2015 täglich auf vier Seiten in der Zeitung und hier auf taz.de.

Und dann der neueste Ökotrend: die Menstruationstasse. Tolles Ding, ist aus Silikon und wiederverwendbar. Spart Geld und vermeidet Müll. Kann man ruhig machen. Aber auf Frauen, die sich dagegen entscheiden, weil sie es unangenehm finden oder sie wenig Lust darauf haben, während ihrer Blutung auf der Bürotoilette zu stehen mit blutverschmierten Händen, wie Freddy Krueger nach einer erfolgreichen Nacht, wird eingeredet wie auf kranke Kühe. Und dann geht es wieder von vorne los: Tampons! Was das für einen Müll macht. Schämt euch!

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