Kommentar Regionalwahl in Frankreich: Front Deutschland

Auch die Deutschen sind schuld an dem Aufstieg der Rechten in Frankreich. Denn die hiesigen Dumpinglöhne schaden der französischen Wirtschaft.

Marine Le Pen, französische Politikerin

Der Erfolg von Marine Le Pen ist auch auf die deutsche Wirtschaftspolitik zurückzuführen. Foto: ap

Kommt die Sprache auf Frankreich, ist das Urteil in Deutschland fast einhellig: Es sind die „Strukturen“, an denen der Nachbar angeblich krankt. Die Sozialisten unter Hollande und die Konservativen unter Sarkozy hätten es versäumt, diese „Strukturen“ zu verändern, weswegen nun der Front National (FN) in den Wahlen zulege.

Unter „Strukturen“ wird in Deutschland alles summiert, was in Frankreich anders ist: Vor allem auf die höhere Steuerlast und die höhere Staatsquote wird gern verwiesen. Ohne jede Bescheidenheit ist für Deutsche klar, dass Deutschland das Vorbild ist. Denn hier ist die Wirtschaft wettbewerbsfähig, und hier herrscht fast Vollbeschäftigung, jedenfalls auf dem Papier. Die Logik der Deutschen ist schlicht: Wer Erfolg hat, hat recht.

Doch diese Selbstzufriedenheit ist unangebracht. Auch die Deutschen sind schuld, wenn der Front National aufsteigt. Denn Deutschland hat sich auf Kosten seiner Nachbarn saniert: Die Reallöhne wurden hier gedeckelt, um sich Wettbewerbsvorteile zu erschleichen.

Die Franzosen hingegen verhielten sich fair. Sie ließen ihre Gehälter mit dem technischen Fortschritt steigen, haben also nicht über Dumpinglöhne konkurriert. Der Preis ist bitter: Durch seine Trickserei hat Deutschland jetzt einen Wettbewerbsvorteil von etwa 20 Prozent.

Die französischen Politiker sind machtlos. Sie können die Arbeitsplätze nicht schaffen, die ihre Wähler erwarten. Denn zunächst müsste sich Deutschland bewegen und seine Löhne anheben, bis die unfaire Wettbewerbslücke geschlossen ist. Doch diese Bereitschaft fehlt. Also bleibt Frankreich nur, seine Gehälter stark zu senken – oder den Euro zu verlassen.

FN-Chefin Marine Le Pen ist rechtsextrem und gefährlich; ihre wirtschaftspolitischen Vorstellungen sind oft krude und erinnern an den Nationalsozialismus. Trotzdem sollte Deutschland genau hinhören. Denn leider hat Le Pen recht, wenn sie klagt, dass die Deutschen ein „deutsches Europa“ durchsetzen wollen.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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