Kolumne Apocalypse Now: Huldigt mir!

Der fiese Klimaradler: Aus ökologischen Gründen quält er sich durch Wind und Wetter und erfreut sich dann am schlechten Gewissen anderer.

Ein Kind im Regencape sitzt in einem Rad-Anhänger

Es gibt Schöneres Foto: dpa

Zehn Grad, Nieselregen und stürmischer Gegenwind. Heute habe ich es allen wieder einmal gezeigt. 20 Kilometer mit dem Fahrrad zur Arbeit. Ich bin der geilste Öko, der für die taz.paris arbeitet. Ich mache das nicht für mich, ich quäle mich fürs Klima. Und das soll jeder wissen. Seht her, hier kommt der nimmermüde Klimaradler! Küsst mir die Füße! Dankt mir! Himmelt mich an! Und habt gefälligst ein schlechtes Gewissen!

Ein Leben in der Vorstadt ohne Auto ist für mich selbstverständlich. Ich habe nicht mal einen Führerschein. Ich hatte auch nie einen. Warum? Aus ökologischen Gründen quäle ich mich durch Wind und Wetter, fahre grundsätzlich mit Bus und Eisenbahn in den Urlaub und zwinge meine Kinder, Fahrradtouren durch verregnete deutsche Sommer zu unternehmen. Dankt es mir gefälligst! Ich tue das auch für euch, ihr Weltreisenden, ihr Inlandsflieger, ihr unverbesserlichen Pkw-Benutzer.

Ich muss lächeln, wenn ich an die von Scham gezeichneten Gesichter denke, die sich gerade überlegen, ob sie vor Bewunderung vor mir auf die Knie sinken sollen. Nur manchmal frage ich mich, ob es überhaupt stimmt, was ich immer erzähle. In Wahrheit kann ich nicht genau sagen, warum ich nie einen Führerschein gemacht habe. Es hat sich wohl nicht ergeben.

Als ich dann das erste Mal behauptet habe, mein ökologisches Gewissen verbiete es mir, an das Autofahren auch nur zu denken, waren die Gesichter meiner Gegenüber derart voller Bewunderung, dass ich beschloss, dies zu meiner Standarderzählung zu machen.

Die bösen Skifahrer

Ich habe noch eine solche Geschichte. Gerne erzähle ich, welch grandioser Skifahrer ich einmal war. Dann komme ich richtig ins Schwärmen über den Alpinskisport auf Pisten. Es geht immer mit dem gleichen Lift in die Höhe und doch fährt man jedes Mal anders ab.

Ein Traum, den ich mir versage – so erzähle ich es gern –, seit ich im Münchner Stadtmuseum mal eine Ausstellung über die voranschreitende Erosion der Berge in den Skigebieten gesehen habe. Und wenn mich dann einer trotzig anschaut und erzählt, dass er gerade seinen Skiurlaub in den Dolomiten gebucht hat, werfe ich ihm einen strengen Blick zu und sage: Musst du wissen.

Der Erde droht der Hitzekollaps. Deshalb wollen die Staatschefs der Welt Anfang Dezember in Paris einen globalen Klimaschutz-Vertrag vereinbaren. Die taz berichtete vom 28. November bis zum 14. Dezember 2015 täglich auf vier Seiten in der Zeitung und hier auf taz.de.

Dann stelle ich mir vor, wie sich diese Ski fahrende Umweltsau in seinem Urlaub zwei Wochen lang schlaflos im Bett wälzt, weil ihn sein Gewissen plagt. Weil er sich fragt, ob er nicht eigentlich ein Rabenvater ist, wenn er seine Kinder in die Skischule schickt, um sie dort zu zukünftigen Klimakillern auszubilden. Ich bin ein fieser Vollöko; denn ich muss lächeln, wenn ich mir das Schweißbad vorstelle, in dem er sich in seinem Hotelbett wälzt.

Der Arbeitstag neigt sich dem Ende entgegen. Das Wetter ist nicht besser geworden. Ein Kollege fragt, ob ich wirklich auch wieder mit dem Rad nach Hause fahren werde. Klar, sage ich. Und: Du weißt doch.

Was ich nicht sage, ist, dass ich schnell weg muss, weil ich mit meinem Sohn bei McDonald’s verabredet bin. Muss ich ein schlechtes Gewissen haben? Nun ja. Wir werden unser Menü bewusst genießen und uns über den gefährdeten Regenwald unterhalten. Und dann geht’s mit dem Rad nach Hause.

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