Kommentar Einigung in Libyen: Die Hardliner haben sich durchgesetzt

Die konkurrierenden libyschen Parlamente einigen sich überraschend – und bremsen damit den UN-Plan aus. Es geht um Macht und um viel Geld.

ein libyscher Panzer schießt, Menschen dahinter halten sich die Ohren zu

19. März, 90 Kilometer nördlich von Tripolis: Gruppen des libyschen Militärs bekämpfen sich gegenseitig. Foto: dpa

Die überraschende Einigung zweier Delegationen der beiden konkurrierenden libyschen Parlamente auf eine Einheitsregierung dürfte in diplomatischen Kreisen einen Schock ausgelöst haben. Denn der in einem Jahr Verhandlungen entstandene UN-Friedensplan für Libyen ist damit in seiner jetzigen Form vom Tisch. Die Hardliner beider Seiten haben sich durchgesetzt, um eine internationale Intervention zu verhindern.

Mit der Ernennung des neuen UN-Sondergesandten Martin Kobler hatte sich abgezeichnet, dass die internationale Staatengemeinschaft mit der Expansion des IS nach Nordafrika nun Schluss machen will. Im libyschen nachrevolutionären Chaos geht es weniger um Ideologien als um den Zugang zu Macht und den Geldtöpfen.

Viel zu lange hat auch Europa dabei zugesehen, wie sich Milizen und nun auch der „Islamische Staat“ das ölreichste Land Afrikas unter sich aufteilten – während die Golfstaaten und die Türkei mit Medien, Waffenlieferungen und Finanzierung von extremistischen Netzwerken aktiv in das Geschehen eingriffen.

Die Bürger von Bengasi, die dreimal die Willkürmilizen – mittlerweile mit dem IS verbündet – aus der Stadt jagten, lässt man bis heute im Stich. Erst seit dem Flüchtlingsdrama auf dem Mittelmeer und dem Morden des „Islamischen Staates“ herrscht Aktionismus. Zu spät.

Nur mit der Bombardierung der IS-Lager wird man die Extremisten nicht mehr vertreiben können. Sie sind in Teilen Libyens längst so etwas wie die besseren Sozialarbeiter. Der IS sieht Libyen nicht als „Ersatzkalifat“ an, sondern als zentralen Ausgangspunkt der Expansion in Afrika, wo ein Millionenheer junger Männer auf irgendeine Perspektive im Leben wartet.

UN-Chef Kobler hat auch bei einem Scheitern seines Plans eine Mammutaufgabe vor sich. Dort, wo die lokalen Strukturen noch funktionieren, brauchen sie massive Hilfe, um die jungen Männer Libyens nicht an den IS zu verlieren.

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Mirco Keilberth berichtet seit 2011 von den Umstürzen und den folgenden Übergangsprozessen in Nordafrika. Bis 2014 bereiste er von Tripolis aus Libyen. Zur Zeit lebt er in Tunis. Für den Arte Film "Flucht nach Europa" wurde er zusammen mit Kollegen für den Grimme Preis nominiert. Neben seiner journalistischen Arbeit organisiert der Kulturwissenschaftler aus Hamburg Fotoausstellungen zu dem Thema Migration. Im Rahmen von Konzerten und Diskussionsveranstaltungen vernetzt seine Initiative "Breaking the Ice" Künstler aus der Region, zuletzt in Kooperation mit der Boell-Stiftung im Rahmen des Black Box Libya Projektes.

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