Liveberichte vom NSU-Prozess: Twittern aus dem Gerichtssaal

Noch nie haben so viele Journalisten live aus einem Strafprozess getwittert, viele Medien haben Liveticker. Aber dürfen die das überhaupt?

Ein Mann mit einem Tabletcomputer sitzt neben Fernsehkameras

Kameras müssen draußen bleiben. Smartphones erstmal nicht. Foto: dpa

KARLSRUHE taz | In Deutschland sind Bild- und Tonübertragungen aus Gerichtssälen seit 1964 gesetzlich untersagt (§ 169 GVG). Zeugen und Angeklagte könnten sich sonst durch die Kameras irritieren und beeinflussen lassen, so die Befürchtung. Das Bundesverfassungsgericht sah 2001 die Rundfunkfreiheit durch das Verbot nicht verletzt: „Prozesse finden in der Öffentlichkeit statt, aber nicht für die Öffentlichkeit.“

Damit ist aber natürlich nicht jede journalistische Berichterstattung über Gerichtsverfahren verboten. Journalisten dürfen im Zuschauerraum sitzen, sich Notizen machen und ihre Eindrücke schriftlich oder mündlich der Welt mitteilen. Bisher haben Journalisten ihre Redaktionen beliefert, der Artikel stand am nächsten Tag in der Zeitung. Fernseh-Reporter berichteten aber schon immer zeitnah. Sie verließen den Verhandlungsraum – oft schon während des Geschehens – um im Gerichtsflur vor laufender Kamera das Erlebte zusammenzufassen.

Mit Twitter beschleunigt sich die Berichterstattung weiter. Journalisten versenden ihre Eindrücke nun parallel zum Erleben. Immer wenn es etwas Neues gibt, wird sofort berichtet. Das Rundfunk-Verbot gilt hier nicht, da die Tweets nur schriftliche Beschreibungen, also keine Original-Töne und -Bilder, enthalten.

Journalisten müssen allerdings die konkreten Anweisungen des Gerichts beachten. Im Zschäpe-Prozess hat das Oberlandesgericht zwar Laptops als Schreibgeräte zugelassen. Sie dürfen im Gerichtsaal jedoch nicht im Online-Modus betrieben werden. So will das Gericht vermutlich vermeiden, dass über eingebaute Mikrofone und Kameras doch eine versteckte Rundfunk-Übertragung aus dem NSU-Prozess stattfindet.

Ein explizites Twitter-Verbot wurde nicht ausgesprochen und wäre auch kaum zu begründen. Journalisten, die twittern, müssen dazu also jeweils kurz den Gerichtssaal verlassen, um draußen online zu gehen und den Tweet zu versenden. Und falls sie doch aus dem Gerichtssaal twittern, dann nur aus Rücksicht auf das Gericht, um nicht durch permanentes Herein- und Herauslaufen unnötig Unruhe zu erzeugen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Mit der taz Bewegung bleibst Du auf dem Laufenden über Demos, Diskussionen und Aktionen gegen rechts.

Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.