NSU-Opferanwältin über Zschäpe: „Sie ist keine naive Nazi-Braut“

Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess, Beate Zschäpe, hat ihr Schweigen gebrochen. Gül Pinar über Erwartbarkeit, Eitelkeit und die unbeantworteten Fragen der Opfer.

Eine Frau mit dunklen Haaren blickt nach oben.

Sprach zwar nicht selbst, ließ am OLG München aber ihre Aussage verlesen: Beate Zschäpe. Foto: dpa

taz: Frau Pinar, nach zweieinhalb Jahren hat Beate Zschäpe ihr Schweigen gebrochen. Hat ihre Aussage den Opfern geholfen?

Gül Pinar: Nein. Ihre Aussage hat keine neuen Erkenntnisse gebracht.

Welche Erwartungen hatten ihre Mandanten?

Sie haben natürlich erwartet, dass die Aussage Licht in die Sache bringt und wir endlich die Wahrheit erfahren. Diese Erwartung habe ich nicht geteilt. Wir bereiteten unsere Mandanten auch schon während des gesamten Verfahrenes auf die mögliche Enttäuschung vor, nicht zu erfahren, warum ihr Angehöriger Opfer wurde. Die Aussage von Zschäpe hat mich in meiner Annahme bestätigt. Die Worte des Bedauerns, die sie heute vortragen ließ, kommen etwas spät.

Die Hauptbeschuldigte will sich bisher nicht den Nebenklagevertretern stellen. Missachtet Zschäpe die Opfer?

Sie hat zwar heute versucht sich zu entschuldigen, aber den Opfern will sie sich nicht stellen.

vertritt die Familie des ermordeten Lebensmittelhändlers Süleyman Tasköprü als Nebenklägerin. Laut Anklage waren es Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, die den 31-Jährigen am 27. Juni 2001 in seinem Hamburger Laden töteten.

Welche Motive, vermuten Sie, hatte Zschäpe, um sich nach fast 250 Verhandlungstagen zum Reden bewegen?

Ihre Eitelkeit und die Tatsache, dass sie jetzt versteht, dass sie verurteilt werden wird.

Haben Sie schon einmal ein so langes Schweigen im Gerichtssaal erlebt?

Ich habe noch nie erlebt, dass ein Mandant länger als zehn Verhandlungstage stillhalten konnte. Zschäpe aber verzieht kaum eine Miene. Sie ist keine naive Nazi-Braut. Im Gegenteil: Sie wirkt stolz darauf, durch den Prozess in der Szene eine Ikone zu sein.

Hat ihre Einlassung Einfluss auf das Urteil?

Das wird die Glaubhaftigkeitsüberprüfung zeigen. Die kann aber nicht uneingeschränkt stattfinden, da Zschäpe die Fragen nur schriftlich beantworten will. Mann kann es glauben, muss es aber nicht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Mit der taz Bewegung bleibst Du auf dem Laufenden über Demos, Diskussionen und Aktionen gegen rechts.

Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.