Spuckschutz-Einsätze in Bremen: Polizei rüstet weiter auf

Spuckschutzhauben sollen zur Grundausstattung der Bremer Polizei gehören. Als Grundlage dient eine Evaluation, die Fragen aufwirft.

Tatütata: Ressortsprecherin Rose Gerdts-Schiffler mit einer Spuckschutzhaube. Foto: Ingo Wagner/dpa

BREMEN taz | Spuckschutzhauben vom Typ „POL-i-Veil weiß“ werden künftig zur Grundausstattung der Bremer Polizei gehören. Das hat die Innenbehörde nach einjähriger Testphase beschlossen: Einen einschlägigen Evaluationsbericht nahm die Innendeputation gestern zustimmend zur Kenntnis. „Wir sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis“, bewertete der Grünen-Vertreter Wilko Zicht das Papier.

Eine Überraschung ist die Einführung der Hauben freilich nicht, denn Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) hatte bereits 2012 angekündigt, den Einsatz spezieller Hauben, die Festgenommene daran hindern sollen, PolizistInnen im Einsatz anzuspucken, testen zu wollen.

Damit folgte er dem Druck der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und ihrem wohl größten Fürsprecher, dem CDU-Innenpolitiker Wilhelm Hinners, die über die massive Steigerung von Spuckattacken auf PolizistInnen klagten – obwohl, das räumte Mäurer selbst ein, die Datenerfassung der Polizei eine valide statistische Aussage dazu nicht zulasse.

Zu den Vorzügen der Spuckschutzhaube zählt der Bericht den Schutz der PolizistInnen vor Hepatitis C sowie HIV.

Hepatitis C-Viren können außer im Blut laut Robert Koch Institut (RKI) auch in „Speichel, Schweiß, Tränen und Sperma“ vorkommen. „Eine Ansteckung durch diese Körperflüssigkeit ist jedoch sehr unwahrscheinlich“.

HIV wird laut RKI „nicht über Speichel, Tränenflüssigkeit oder Tröpfcheninfektion übertragen“. Stattdessen droht die Ansteckung durch den „Kontakt virushaltiger Körperflüssigkeiten mit der rektalen oder vaginalen/ zervikalen Schleimhaut“, typischerweise beim Geschlechtsverkehr.

Wichtig: Hier bietet die Baumwollhaube keinen wirksamen Schutz.

Gescheitert war das Vorhaben dennoch nur, weil es kein akzeptables Haubenmodell gab: Eine „umgekehrte Kapuze“, wie von der GdP vorgeschlagen, wurde fraktionsübergreifend abgelehnt, andere Modelle erinnerten an Bilder der Gefangenen in Guantanamo.Doch dann kam 2014 „POL-i-Veil weiß“ auf den Markt: „Die Haube ist aus dünner Baumwolle und im Gesichtsbereich nahezu durchsichtig – das sieht sehr ordentlich aus“, sagte dazu damals Rose Gerdts-Schiffler, Sprecherin des Innensenators. Und das Modell stieß auf wenig Widerstand, schränkt es doch die Hörfähigkeit des spuckwilligen Festgenommenen nicht ein und lässt noch weitestgehend freie Sicht zu. Von Oktober 2014 bis September 2015 hat die Bremer Polizei diesen Spuckschutz getestet.

Mit Erfolg, sagt der von Innenbehörde in der gestrigen Deputation für Inneres vorgestellte Evaluationsbericht. Denn 57 der 60 Spuckschutzhaubeneinsätze während der Testphase konnten danach das Anspucken, das schon erfolgt oder angedroht worden war, unterbinden oder verhindern. Bei vier der Festgenommen hätten Infektionskrankheiten vorgelegen, die im Bericht kaum erwähnt worden wären, ginge die Polizei nicht davon aus, dass durch die Haube eine Ansteckung verhindert worden wäre. Bloß handelte es sich hier um HIV und Hepatitis C – Erreger, die durch Anspucken nicht übertragen werden (s. Infokasten).

Rechtsanwalt Horst Wesemann (Die Linke), stellvertretender Vorsitzender der Innendeputation, ist insgesamt nicht überzeugt von der Schlagkraft der Evaluation: „Ich finde, das sind so wenig Fälle, das man sich hier schon die Frage stellen muss, warum die Polizei sich in den entsprechenden Situationen nicht selbst mit einem Spuckschutz ausstattet.“

Zumal aus dem Bericht hervorgeht, dass die BeamteInnen durch den Haubeneinsatz zwar vor Spucke geschützt wurden, nicht aber vor weiteren Angriffen: Die Betroffenen, heißt es im Bericht, legten „in allen Fällen eine hohe Gewaltbereitschaft an den Tag. Sie versuchten durchweg, das Aufsetzen der Spuckschutzhauben zu verhindern. Bei der Wahl der Mittel ihrer Gegenwehr kam es vom bloßen ‚dagegen sperren‘ bis zum Stoßen und Treten.“

Offenbar, sagt Wesemann, löse also der Versuch des Überstülpens Panik bei den Festgenommenen aus: „Und die wiederum führt zu Reaktionen, die Verfahren wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt auslösen können.“ Hier sei zu hoffen, dass die Polizei ihren Ermessensspielraum verantwortungsvoll nutze und künftig durch wirksame Öffentlichkeitsarbeit über ihr neues Instrument aufkläre.

„Es ist widerlich und unerhört, jemanden anzuspucken, darüber muss man überhaupt nicht diskutieren“, sagt Wesemann, „aber die von der Polizei beklagte zunehmende Respektlosigkeit ihr gegenüber kann man nicht technokratisch lösen – man muss da auch nach den Ursachen schauen.“

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