Symposium der Rüstungslobby: Keine Panzer für die Saudis

Rüstungsexperten erwarten weniger Geschäfte mit Drittländern wie den Golfstaaten. Sigmar Gabriel kündigt ein Exportgesetz an.

Ein Kampfpanzer fährt über den Übungsplatz

Ein Kampfpanzer vom Typ Leopard 2. Foto: dpa

BONN taz | Ein rotes Herz schwebt über der Rüstungslobby. Während einer Karnevalssitzung am Wochenende ist der Gasballon aufgestiegen und blieb unentschlossen auf halber Höhe unter der Decke der Godesberger Stadthalle. Unten hält die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik ihr Symposium ab. Vertreter der Industrie, des Verteidigungsministeriums und der Bundeswehr pflegen hier jeden Januar ihre Kontakte – und beraten, was die Branche im neuen Jahr umtreibt.

2016 gibt sie sich ähnlich unentschlossen wie das Herz an der Decke: Zwar freut es sie, dass Bundeswehr und Nato-Staaten wieder mehr Waffen kaufen wollen. Auch wegen der Debatte über neue Embargos gegen Saudi-Arabien und andere Staaten sorgen sich die Rüstungsfirmen aber um ihre Anteile am Weltmarkt.

„Der Großteil der Unternehmen glaubt, dass sich die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen verschlechtern werden“, sagt Michael Eßig. Der Betriebswirtschaftler der Bundeswehr-Universität München hat die Stimmung in der Branche systematisch untersucht und einen rasanten Umschwung festgestellt.

2014 glaubten noch 60 Prozent der befragten Rüstungsmanager, dass der Schwerpunkt ihres Geschäfts in zehn Jahren auf Staaten außerhalb von EU und Nato entfallen wird. Auf die Golfstaaten zum Beispiel, die kräftig aufrüsten. Zwölf Monate später ist der Wert beinahe auf die Hälfte gesunken. Nur noch 36,1 Prozent sehen den Schwerpunkt in zehn Jahren auf Drittstaaten.

Gabriels minimal strengere Linie verunsichert die Branche

Liegt das an Sigmar Gabriel? Der SPD-Wirtschaftsminister fährt bei Exportgenehmigungen einen etwas strengeren Kurs als einige seiner Vorgänger. Saudi-Arabien zum Beispiel bekommt weder Sturmgewehre noch Kampfpanzer. In den Augen der Opposition winkt der Vizekanzler zwar noch immer viel zu viele Rüstungsgeschäfte durch. Trotzdem reicht Gabriels Linie, um die Branche zu verunsichern. Unvernünftig sei die deutsche Rüstungsexportpolitik, heißt es von den Managern in Bad Godesberg. Und jetzt kommt Gabriel auch noch mit einer neuen Idee: einem eigenen Rüstungsexportgesetz.

Am Wochenende kündigte der Wirtschaftsminister an, eine Expertenkommission für ein solches Gesetz einzuberufen. Ob es in der Praxis tatsächlich etwas ändern würde, ist zwar offen. Noch weiß das Ministerium nicht mal, wann die Kommission loslegt und welche Experten mitmachen dürfen. Trotzdem bastelt die Branche schon mal an Drohszenarien. „Die Ankündigung von Herrn Minister Gabriel ist interessant“, sagt Andreas Schwer, Vorstandsmitglied der Rüstungssparte von Rheinmetall. „Rüstungsexporte bleiben essenziell, wenn wir die Verteidigungsindustrie in Deutschland erhalten wollen.“

Viele Unternehmen erwarten Verschlechterungen der Rahmenbedingungen

Eine Branche in Untergangsstimmung? Das stimmt nun auch nicht ganz. Betriebswirtschaftler Eßig hat in seiner Studie auch herausgefunden: Obwohl die Große Koalition einige Waffengeschäfte verhindert hat, beurteilten die Unternehmen ihre Geschäftslage im Jahr 2015 besser als vor dem Regierungswechsel 2013. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass die Verteidigungsminister des Westens wieder auf Einkaufstour gehen und damit entgangene Geschäfte auf dem Weltmarkt ausgleichen.

Vor zwei Jahren haben sich die Nato-Staaten darauf geeinigt, in Zukunft zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in den Verteidigungshaushalt zu stecken. Der deutsche Wehretat stieg bereits um 1,4 Milliarden Euro. Angela Merkel kündigte vergangene Woche bereits gegenüber Verteidigungspolitikern an, die Ausgaben noch weiter zu erhöhen.

Karl-Henning Bald, im Ministerium als Abteilungsleiter für das Budget zuständig, bekräftigt das in Bad Godesberg vor der Rüstungslobby. Wenn auch unter Vorbehalt: „Wir müssen auf der Hut sein“, sagt Bald. Je mehr Geld das Finanzministerium im nächsten Jahr für Flüchtlinge aus Syrien und anderswo einplanen müsse, desto weniger bleibe für übrige Ausgaben. Anders gesagt: Ausgerechnet Waffenbauern können Kriege manchmal auch Profite kosten.

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