Kommentar Varoufakis #DiEM25: Endlich wieder Sozialdemokraten

Ein breites Bündnis jenseits des linken Milieus: Das Programm von Yannis Varoufakis’ Europa-Bewegung ist überaus normal.

Varoufakis spricht

Varoufakis‘ Democracy in Europe Movement – geplant leider erst für 2025. Foto: ap

Die Aufregung, die vorher in den langen Schlangen vor der Berliner Volksbühne geherrscht hatte, war schnell verflogen, als der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis erstmal die Bühne betreten hatte: Austerität, Troika, Brüssel, Berlin – die Themen, um die es an diesem Gründungsabend seiner neuen, pan-europäischen linken Bewegung #DiEM25 gehen sollte, waren einfach zu unsexy.

Schon im Vorfeld rätselten zudem die meisten, was #DiEM25 eigentlich sein sollte. Der „Blockupy“-Aktivist John Malamatinas hatte in einem offenen Brief an Varoufakis ganz richtig geschrieben, dass es doch bereits eine linke, europäische Bewegung gebe. Fakt ist aber auch, dass die gegen die europäische Politik der letzten Jahre ziemlich wenig ausrichten konnte; und vielleicht war deswegen das Interesse an Varoufakis entsprechend groß.

Zuletzt war der in der europäischen Politik eine einsame Oppositionsfigur gewesen: der linke Finanzminister, der sich nicht korrumpieren und kleinreden ließ und der konsequentweise zurücktrat, als Tsipras und Syriza vor der Troika einknickten.

Die wahren Stars

An Glaubwürdigkeit mangelt es dem griechischen Ökonom also nicht. Varoufakis aber machte gestern nicht sich, sondern andere zu den Stars des Abends. Den Dienstag über hatte er mit Aktivisten und Politikern über europäische Politik und #DiEM25 diskutiert. Das Wort hatten am Abend dann vor allem Politiker verschiedener europäischer Parteien. Darunter waren bewegungsnahe wie die Bürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau oder Miguel Urban, der für Podemos im Europaparlament sitzt. Die Vorsitzende der deutschen Die Linke, Katja Kipping, betonte zumindest die Wichtigkeit von Aktivismus. Andere, wie die parteilose Nessa Childers aus Irland oder die britische Grünen-Politikerin Caroline Lucas wünschten sich hingegen ein wenig Umweltschutz und ein bisschen gerechtere Verteilung.

Das zeigt das Spektrum, das sich Varoufakis für #DiEM25 wünscht. Neben linksradikalen Aktivsten soll es auch offen für liberale Demokraten sein. Ein ehrgeiziger Plan, der auch erklärt, warum die politische Forderungen von #DiEM25 so klein geraten sind. Alle konnten sich auf das Bedingungslose Grundeinkommen einigen. Eine weitere zentrale Forderung war Transparenz. Die Politik in Brüssel soll durch die Liveübertagung von Debatten nachvollziehbarer werden.

Der tatsächliche Nutzen solcher Forderungen bleibt unklar. In Deutschland kann man sich jeden Tag auf Phoenix den Bundestag anschauen; demokratischer und zugänglicher hat das die Entscheidungsfindungen nicht gemacht. Über zentrale Machtfragen wurde also erst gar nicht gesprochen.

Nichts mehr zu verlieren

Besonders radikal ging es am gestrigen Abend also nicht zu. Aber vielleicht ist das gerade der Grund, warum es – neben bestehenden linken und linksradikalen Bündnissen – so etwas wie #DiEM25 braucht.

Früher stellten Sozialdemokraten der Mitte ganz normale Forderungen nach einem menschenwürdigen Leben und einem solidarischen Europa. Das gilt heute bereits als radikal.

Vielleicht muss man #DiEM25 schon für den bloßen Versuch der Formulierung solcher Ideen jenseits des linken Milieus eine Chance geben. Wir leben heute in einem Europa in dem viele schon nichts mehr zu verlieren haben. Die Zeiten in denen wir uns den Luxus gönnen konnten, so eine Idee kaputt zu reden bevor sie überhaupt angefangen hat, sind längst vorbei.

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