Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Europa goes Festungen, der DFB ist sauber, aber tot, und rechtsaußen wird derzeit das „politpornografische Hütchenspiel“ aufgeführt.

Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann mit erhobenen Zeigenfinder.

Werner Faymann empfiehlt den Deutschen, eine Luftbrücke für die Flüchtlinge einzurichten Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Das Erdoğan-Regime zerniert die Zeitung Zaman.

Was wird besser in dieser?Würde man die deutsche Zaman unbemerkt in die Türkei schmuggeln können?

Österreichs Kanzler Faymann hat gefordert, dass Deutschland Flüchtlinge per Luftbrücke direkt aus Griechenland abholen soll. Superidee?

Die Wahl scheint nur noch zu sein, ob Europa eine Festung wird oder 28 Festungen. Faymann neigt Letzterem zu und hat indes auch schon mal vorgerechnet, wo er eine handliche deutsche Obergrenze sieht. Hätten wir auch eine sozialdemokratische Partei in Deutschland, würde sie Genosse Faymann darlegen, dass er sich auf gut Österreichisch vertschüssen kann. Kanzlerin Merkels aktuelle Single „Wir dürfen Griechenland nicht im Stich lassen“ würden die Griechen sicherlich gern postum zum Sommerhit 2014 wählen, der Song zur Finanzkrise. Das ist alles ganz traurig, doch es sind 50 Shades of Abschottung und damit: alles zusammen kein zukunftsfähiges Konzept, weder so noch so.

Der DFB ist sauber. Sagt zumindest der DFB, nachdem er den Bericht der Kanzlei Freshfields überflogen hat. Ist jetzt wieder alles gut mit dem Sommermärchen?

Ja. Der Bericht hat ordnungsgemäß die Hauptschuld bei lauter Leuten verortet, die tot sind oder bei einer Hirnstrommessung überzeugend in die Nähe von tot kommen.

Hatte die Polizei einen Tipp auf den Dealer und Beck war Beifang – oder war‘s umgekehrt ? Der Rest ist vorzeitiger Dramenerguss von Leuten, die sich Spekulatius intravenös geben

Grünen-Politiker Volker Beck wurde angeblich mit Crystal Meth erwischt und legte daraufhin seine Ämter nieder. Wäre die Aufregung auch so groß, wenn man Kokain gefunden hätte?

Hatte die Polizei einen Tipp auf den Dealer und Beck war Beifang – oder war’s umgekehrt? Der Rest : „Hitlerdroge“, „Schwulenexzesse“, „Leistungsdroge“ – ist vorzeitiger Dramenerguss von Leuten, die sich Spekulatius intravenös geben.

Laut Wahlbarometer liegt in Sachsen-Anhalt die AFD vor der SPD und in Baden-Württemberg die Grünen vor der CDU. Verkehrte Welt?

Die Bundestagswahl 2013 war ein kollektives Schlaflabor, es ging um Schlaaandkette und Stinkefinger. Die zentralen Fragen nach Finanz-, Euro- und Griechenlandkrise wurden der Wählerschaft wegmeditiert. Auch die Eskalation gegen Russland und die Entfriedlichung der deutschen Außenpolitik wurden unterwegs eher bekannt gegeben als diskutiert. Schlimm, dass die Regierung die Wähler für unberechenbar hält; noch schlimmer, dass sie hie und da damit völlig recht hat. Irgendwann geht das schief, nämlich gerade: Nun werden die landespolitischen Themen überwalzt von einer tumultuösen Volksabstimmung über die europäische Migrationspolitik. Das darf man als gutes Zeichen lesen: Die Demokratie funktioniert. Am kommenden Sonntag um 18 Uhr beginnt der Bundestagswahlkampf 2017.

Baschar al-Assad sagt, er will so lange weitermachen, wie das syrische Volk ihn will. Gibt es keine politische Alternative zu dem Diktator?

Assad lebt nur noch von seiner Garantie für die russische Militärpräsenz am Mittelmeer. Wenn man das entkoppelt, isser weg. Das wäre natürlich ein Übergriff, wenn allerhand Nationen am Verhandlungstisch entscheiden würden: Eine neue, frei gewählte syrische Regierung bekäme zur Begrüßung ein fremdbestimmtes Besatzungsstatut. Fast so schlimm wie Deutschland 1949.

Die NPD verbieten: Das klingt jetzt irgendwie nicht so demokratisch. Schenkt man den Nazis nicht viel zu viel Erregungspotenzial, wenn man sie so wichtig nimmt?

Interessant, dass in einer Online-Umfrage (“Wen wählen?“, in Zusammenarbeit mit der Uni Mannheim) alle befragten AfD-Politiker eher gegen ein NPD-Verbot sprechen. „Wir die Kreide, ihr der Wolf“ kann das heißen: Nach einem NPD-Verbot wäre AfD die rechteste relevante Partei, und – politpornografisches Hütchenspiel – noch mehr NPDler wechselten zur AfD und demolierten weiter deren Image. Doch taktisch könnte es umgekehrt schlau sein, die Irren verteilten sich auf zwei Parteien und bekämpften auch einander. Und ganz egal: Mit Slogans wie „Solidarpaket für die eigene Bevölkerung“ und „Wer Gastrecht missbraucht, hat Gastrecht verwirkt“ covern selbst SPD und Linke Parolen der NPD. Der Zeitpunkt für ein Verbot der NPD ist überschritten, die Nachfolgeorganisation AfD dröhnt in voller Pracht und das Risiko eines Urteils „NPD nicht verfassungsfeindlich“ erheblich.

Und was machen die Borussen?

Zum letzten Mal vor der Rente kommentierte Marcel Reif den Gipfel Dortmund – Bayern. Viele drehen jetzt den Ton wieder an bei Sky.

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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