Flüchtlingshelfer in Dänemark: Bestraft für eine Fahrt und einen Tee

Weil Bürger Flüchtlingen halfen, müssen sie wegen Menschenschmuggels eine Geldbuße zahlen. Hunderte Klagen wurden erhoben.

Eine Ansammlung von Menschen auf einer Straße, an der Leitplanke stehen Polizisten

Im vergangenen Sommer waren Hunderte Geflüchtete auf Dänemarks Autobahnen unterwegs, wie hier im September in der Nähe von Padborg Foto: ap

STOCKHOLM taz | „Für uns war das gar keine Frage“, sagt Lisbeth Zornig-Andersen: „Mitten auf der Autobahn eine Familie mit zwei kleinen Kindern, die so müde waren, dass sie nicht mehr laufen konnten, ein heißer Sommertag, und wir fuhren in einem leeren Auto. Natürlich muss man die mitnehmen.“

Die Mitfahrgelegenheit wurde teuer für Zornig-Andersen und ihren Ehemann. Ein Gericht im süddänischen Nykøbing verurteilte beide zu einer Geldbuße von umgerechnet 6.000 Euro. Die Begründung: Die Mitgenommenen waren eine syrische Flüchtlingsfamilie. Und die hätte kein Recht gehabt, sich in Dänemark aufzuhalten. Diesen zu helfen sei damit ein Verstoß gegen den „Menschenschmuggelparagrafen“ des Ausländergesetzes gewesen. Straferschwerend komme hinzu, dass die Eheleute die Flüchtlinge zeitweise „beherbergt“ hätten: Sie hatten den Erschöpften zu Hause eine Tasse Tee serviert.

Das Ganze hatte sich Anfang September 2015 zugetragen. Tausenden Flüchtlingen, die über die deutsch-dänische Grenze gekommen waren, um nach Schweden weiterzureisen und dort einen Asylantrag zu stellen, hatte Kopenhagen von einer Stunde auf die andere diese Durchreise verboten. Es folgten chaotische Zustände, weil sich daraufhin die Flüchtlinge einfach zu Fuß auf der Autobahn auf den Weg Richtung Schweden machten.

Zahlreiche DänInnen entschlossen sich spontan, diesen Menschen zu helfen und sie zum nächsten Bahnhof oder gleich zur dänisch-schwedischen Grenze zu transportieren. „Es war das einzig Anständige, was man in dieser Situation tun konnte. Und das wird nun kriminalisiert“, empört sich Zornig-Andersen.

„Recht problematisch“

Sie ist Autorin, war von 2010 bis 2012 Vorsitzende der staatlichen Kinderombudsmann-Behörde, betreibt mit „Huset Zornig“ eine Initiative, die sich für sozial benachteiligte Menschen engagiert, und hat angekündigt, das Urteil anzufechten.

Dass das Gericht ihr Argument nicht gelten ließ, sie sei sich keiner Schuld bewusst gewesen, zumal zwei Polizeibeamte, die sie gefragt hätte, ob man sich womöglich strafbar mache, dies auch nicht beantworten konnten, hält die Kopenhagener Strafrechtlerin Eva Smith für „recht problematisch“. Es komme hinzu, dass die Polizei die Flüchtlinge nicht daran gehindert habe, viele Kilometer auf der Autobahn zu laufen. „Wo ist eigentlich der Unterschied“, fragt Smith, „ihnen das amtlicherseits zu erlauben oder sie mitzunehmen?“

Doch Dänemarks Staatsanwaltschaft scheint wild entschlossen, ein Exempel zu statuieren, und hat fast 300 derartige Anklagen erhoben.

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