„Durchbruch“ bei Flüchtlingsgipfel vertagt: Türkei nimmt alle Syrer, wenn ...

Ankara bietet an, alle Flüchtlinge, die illegal nach Griechenland gelangt sind, wieder zurückzunehmen. Der Vorschlag ist allerdings an Bedingungen geknüpft.

vier Männer in Anzügen vor EU- und Türkeifahnen

Auf dem EU-Gipfel: Jean-Claude Juncker, Ahmet Davutoglu, Donald Tusk und Martin Schulz (v.l.n.r.). Foto: dpa

BRÜSSEL epd/dpa | Nach einem Gipfelmarathon haben die EU-Staats- und Regierungschefs einen endgültigen Beschluss zu einem Flüchtlingsabkommen mit der Türkei vertagt. Bis zum nächsten EU-Gipfel am 17. und 18. März bleibe noch Arbeit für eine endgültige Vereinbarung zu tun, bilanzierte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach rund zwölfstündigen Beratungen in Brüssel.

Bei dem Treffen Gipfel mit dem türkischen Regierungschef Ahmet Davutoglu ging es um ein umfassendes Paket, um den Flüchtlingszustrom nach Europa einzudämmen. Davutoglu überraschte dabei mit weitgehenden Plänen, die viele EU-Chefs unvorbereitet trafen. Man verständigt sich trotzdem darauf, einen neuen Kurs in der Flüchtlingspolitik zu prüfen. Dem vorläufigen Plan vom Montagabend zufolge würde die Türkei künftig sämtliche Migranten zurücknehmen, die auf irreguläre Weise nach Griechenland gelangen.

Im Gegenzug sollen syrische Flüchtlinge direkt aus der Türkei nach Europa kommen dürfen. Merkel begrüßte den Plan, der bis zum nächsten EU-Gipfel in zehn Tagen weiter beraten werden soll. Dieser sei „ein Durchbruch, wenn er realisiert wird“, sagte Merkel.

Es gehe darum, „alle aus der Türkei neu auf den griechischen Inseln ankommenden irregulären Migranten zurückzuführen“, heißt es in einer Erklärung der 28 EU-Staats- und Regierungschefs. Dies beträfe also auch Flüchtlinge, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, nicht nur sogenannte Arbeitsmigranten oder Menschen, die in Europa ein besseres Leben suchen.

Damit verknüpft soll es eine besondere Regelung ausschließlich für syrische Flüchtlinge geben. Für jeden in die Türkei zurückführten Syrer würde ein anderer syrischer Flüchtling aus der Türkei legal in die EU kommen dürfen. So würde es der Türkei erleichtert werden, Migranten zurückzunehmen.

Schleppermodell aufbrechen

Generell soll der von Davutoglu vorgeschlagene Mechanismus laut Merkel dazu dienen, Menschen vom illegalen und gefährlichen Weg über das Meer nach Europa abzuschrecken und stattdessen auf die legale und sichere Umsiedlung zu setzen. Es gehe darum, die Kette aufzubrechen zwischen dem Besteigen eines illegalen Bootes, um als Ergebnis einen Aufenthalt in Europa zu bekommen, sagte Merkel.

Rechtliche Bedenken wies die Kanzlerin zurück. Die Flüchtlinge könnten schließlich auf legalem Wege in die EU kommen, sagte sie. Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte, der Mechanismus sei generell mit dem EU-Recht vereinbar.

Bereits als sich der neue Mechanismus abzeichnete, hatte Pro Asyl Kritik geübt. „Nicht nur Syrer sind Flüchtlinge. Hier soll die Herkunft bestimmen, ob ein Mensch Schutz findet. Dieser Vorschlag ist menschenverachtend“, urteilte die Flüchtlingshilfsorganisation.

„Tiefpunkt europäischer Einigungsgeschichte“

Die menschenrechtspolitische Sprecherin der Grünen im Europaparlament, Barbara Lochbihler, erklärte: „Es ist ein Tiefpunkt europäischer Einigungsgeschichte, wenn unsere Antwort auf millionenfache Not allen Ernstes lautet, möglichst viele Menschen in die Hände einer Regierung übergeben zu wollen, die die Menschenrechte mehr denn je mit Füßen tritt.“ In der Türkei hat unter anderem die Genfer Flüchtlingskonvention nur eingeschränkte Geltung.

Der Gipfel bekräftigte daneben die Umsetzung und zum Teil die Beschleunigung von bereits zuvor vereinbarten Schritten, darunter die an Bedingungen geknüpfte Aufhebung des Visazwangs für Türken bei EU-Reisen und die Verbesserung der Lage der Flüchtlinge in der Türkei mit EU-Finanzhilfen. Dabei will die Union möglicherweise über die für 2016 und 2017 veranschlagten drei Milliarden Euro hinausgehen.

Beim innereuropäischen Umgang mit Flüchtlingen wurde eine verstärkte Hilfe für Griechenland vereinbart. Ein umstrittener Passus in der Gipfel-Erklärung, wonach die westliche Balkanroute geschlossen sei, wurde entfernt.

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