Kommentar zur Performance der AfD: Die aalglatte Frau Petry

Alle feiern den TV-Journalisten Tim Sebastian für ein kritisches Interview mit Frauke Petry. Doch damit hat er die AfD-Chefin nicht geschwächt.

Frauke Petry, umringt von Kameraleuten, läuft über einen Platz und schaut auf ihr Smartphone

Gar nicht demontiert: Frauke Petry Foto: ap

„Genial ausgehebelt“, „komplett demontiert“, „entlarvend“: Politiker wie Journalisten feiern den britischen Fernsehjournalisten Tim Sebastian für ein kritisches Interview mit AfD-Chefin Frauke Petry in seiner Sendung „Conflict Zone“. Vor allem ein Satz Sebastians begeistert alle: „Ich stelle die Fragen, die ich stellen will.“

Na und? Dass dieser Grundsatz der Pressefreiheit dermaßen viel Lob erhält, nur weil es sich bei der Interviewten um Frauke Petry handelt, irritiert. Was hat man denn erwartet? Ob Spiegel oder Bunte: Über zu wenig Bühne kann Petry derzeit nicht klagen. Und die bespielt sie leider nicht schlecht. Tim Sebastian hat zweifellos hervorragende, hartnäckige Fragen gestellt. Allein: Frauke Petry hat er damit weder geschwächt noch demontiert. Sie hatte zwar inhaltlich wenig zu sagen, blieb aber redegewandt.

Beides ist für sich erschreckend, aber kaum überraschend. Es passt zu ihrer Strategie, die lautet: Raus aus der Schmuddelecke, rein in die Unis, in die Wirtschaft und natürlich in die Parlamente. Die AfD will die Eliten, nicht die kleinen Leute. Niemand verkörpert das stärker als Petry. Ihr British English, Kostüm und Doktortitel sind keineswegs Marginalitäten. Sondern eine Ansage.

Der aktuelle Entwurf des AfD-Grundsatzprogramms zielt demgemäß nicht auf sozialen Frieden, den Petry kürzlich noch als oberste Prämisse ihrer Politik verkaufen wollte. Souveräner Nationalstaat, sorgenfreies Unternehmertum, spießbürgerliche Idylle am Abendbrottisch: Das Papier ist eine zusammengeklaubte Mischung aus Marktradikalismus, völkischem Konservatismus und antiegalitären Ideen, die Einwanderer ebenso stigmatisieren wie Geringverdiener.

Konstruktive Vorschläge? Wenig. Aber das stört die AfD-Wähler kaum, ebenso wie Widersprüche in der Programmatik – Grenzen für Menschen, aber bloß nicht für Handelsware. Protestwähler lesen kein Parteiprogramm. Täten sie es, würden sie sich empört abwenden. Stattdessen bewundern sie eine stur lächelnde, aalglatte Frauke Petry. Die sich nicht von der kritischen, nach AfD-Logik ohnehin parteiischen Presse von ihrer Linie abbringen lässt.

Im AfD-Grundsatzprogramm stehen gefährliche Dinge. Die Zeit der dumpfen Altherrenparolen aber ist mit Petry endgültig vorbei. Um sie zu entzaubern, braucht es mehr als kritische Fragen.

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ist freie Korrespondentin in den USA und war bis Anfang 2020 taz-Redakteurin im Ressort Meinung+Diskussion. Davor: Deutsche Journalistenschule, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestag, Literatur- und Politikstudium in Bamberg, Paris und Berlin, längerer Aufenthalt in Istanbul.

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