Herr Erdoğan beliebt zu scherzen

Witzlos Die Türkei fordert vom deutschen Botschafter, Veröffentlichung einer NDR-Satirezu stoppen. Kritik auch an Prozessbeobachtern

Foto: Kayan Ozer/ Presidential Palace/ via reuters

BERLIN taz/dpa |Das NDR-Satiremagazin „extra 3“ hat den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan am Dienstag zum „Mitarbeiter des Monats“ gekürt. Das ebenfalls eher unernste Onlinemagazin Der Postillion bildete Erdoğan als „beleidigte Leberwurst“ ab. Nur der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) blieb ernst und bezeichnete Erdoğan als „lächerlich“.

Zuvor war bekannt geworden, dass eine „extra 3“-Satire über Erdoğan diplomatische Verwicklungen ausgelöst hatte. Das türkische Außenministerium hatte laut diplomatischen Kreisen in Ankara bereits in der vergangenen Woche den deutschen Botschafter Martin Erdmann einbestellt und gefordert, die weitere Verbreitung des Erdoğan-Beitrags zu stoppen.

Bisher ist die 1:52 Minuten lange Satire, die am 17. März ausgestrahlt worden war, online weiter abrufbar. Zur Melodie von Nenas „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ wird darin Erdoğans Vorgehen gegen Medien, Demonstranten und Kurden auf die Schippe genommen. Im Text heißt es: „Ein Journalist, der irgendwas verfasst, was Erdoğan nicht passt, ist morgen schon im Knast.“ Dazu werden Bilder gezeigt, wie eine Redaktion gestürmt wird. Die taz hat den Text mittlerweile ins Türkische übersetzt.

In der Türkei werden kritische Journalisten seit Längerem bedrängt. Der Korrespondent des Spiegels hatte daher kürzlich mit seiner Familie das Land verlassen. Die Journalisten Can Dündar und Erdem Gül stehen in Istanbul vor Gericht. Dündar ist Chefredakteur der Zeitung Cumhuriyet, Gül Hauptstadt-Büroleiter. Ihnen werden Spionage und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Es droht lebenslange Haft.

Den Prozessauftakt am Freitag hatten mehrere Diplomaten, darunter der deutsche Botschafter und der britische Generalkonsul Leigh Turner, besucht. Erdoğan hatte das am Samstag scharf verurteilt. „Wer sind Sie? Was haben Sie dort zu suchen? Dies ist nicht Ihr Land, dies ist die Türkei“, zitierte ihn die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Zudem wurde Erdmann am Dienstag erneut einbestellt.

Die Bundesregierung äußerte sich bis Redaktionsschluss nicht zu den Vorgängen – und wurde prompt von der Opposition kritisiert. „Erdoğans Arm reicht mittlerweile bis nach Deutschland“, so Sevim Dagdelen (Linke). Claudia Roth (Grüne) forderte, die „fatale Abhängigkeit“, in die sich die Bundesregierung durch den Flüchtlingsabwehr-Deal mit der Türkei begeben habe, müsse sofort beendet werden. GA

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