Clown-Aktion bei der AfD: So lief die Tortensitzung wirklich ab

Erst flog eine Torte auf Beatrix von Storch, dann warfen Polizei und Hotel die AfD aus dem Haus. Der taz liegt das AfD-Protokoll der Tortensitzung vor.

Frau mit Torte wird von Polizist am Weitergehen gehindert

Seit dem Vorfall herrscht bei der AfD strenges Tortenverbot, das polizeilich durchgesetzt wird Foto: dpa

BERLIN taz Am 28. Februar 2016, als der Clown zur AfD kam, hatte Beatrix von Storch schließlich viel Sahne auf dem Sakko und auch im Gesicht. Und die Presse, das lässt sich nicht anders sagen, berichtete ausführlich über die Torte (Welt) und die Torte (Stern) und die Torte (Deutsche Welle). Was bei der Erregung um den Kuchenwurf auf die Europaparlamentarierin Beatrix von Storch allerdings unterging, war: Worum ging es dort eigentlich, im Pentahotel Kassel-Wilhelmshöhe? Und wie endete der Tag für die AfD? Der taz liegt das Protokoll der legendären Sitzung vor, bei der die Bundesprogrammkommission der AfD, abgeschirmt von der Öffentlichkeit, wichtige Weichen zur Entwicklung des Parteiprogramms stellen wollte – vergebens.

Das Protokoll belegt, dass der Tortenwurf nicht nur eine unappetitliche Showeinlage war, sondern dass es offenbar Polizei und Hotelleitung waren, die die AfD anschließend noch aus dem Hotel warfen. Es offenbart auch, dass die Stimmung in der Programmkommission der AfD bereits vor der Tortenattacke spürbar gereizt war. Und es erzählt die trockene Geschichte dieses Tages. Nur ein Wort fehlt darin, das Wort „Torte“.

In den Worten der Protokollanten heißt es stattdessen: „Die Debatte und Sitzung wird durch eine Störung um ca. 11.40 Uhr unterbrochen.“ Das war der Moment, in dem ein als Clown verkleideter Aktivist Beatrix von Storch jene Sahnetorte ins Gesicht warf (Youtube-Video).

Da lief die Sitzung gerade seit über einer halben Stunde – und die 23 Parteifunktionäre diskutierten über „Irritationen, die bezüglich der Fragestellungen entstanden sind, die Gegenstand der abgeschlossenen Mitgliederumfrage geworden sind.“ Es sollte gerade erst richtig losgehen, denn: Es gab Stunk, weil Funktionäre sauer waren, dass bestimmte Fragen an die Mitglieder, die einzelne sogenannte Bundesfachausschüsse eingereicht hatten, bei der letzten Mitgliederbefragung nicht berücksichtigt worden waren - durchaus ein Politikum, denn die Antworten aus der Mitgliederbefragung sollten schließlich auch im Parteiprogramm Niederschlag finden.

Schnelles Ende der Sitzung

Und so hatte es für Beatrix von Storch offenbar immerhin ein Gutes, das plötzlich die Sitzung so nonchalant unterbrochen wurde. Später kam sie davon, indem sie verpflichtet wurde, eine „sachliche Stellungnahme“ bezüglich „Unstimmigkeiten“ und „Unklarheiten“ nachzureichen. „Dabei soll durch ‚Lessons Learnt‘ und Aufzeigen der konkreten nächsten Schritte (...) die positive Grundstimmung wieder hergestellt werden“, heißt es in dem Protokoll. Übersetzt: von Storch sollte sich reuig zeigen.

Im EU-Parlament ist Beatrix von Storch ab dem 24.4. fraktionslos. Bisher gehörte die AfD-Europaabgeordnete der Fraktion christdemokratischen Europapartei an (European Christian Political Movement, ECPM). Der Abgeordnete Arne Gericke (Familien-Partei) begründete den Rauswurf mit der "zunehmend radikalen, rassistischen und völkischen Ausrichtung der AfD insgesamt" und verwies auf Postings und Tweets nach den Terroranschlägen, die "menschenverachtend, verhöhnend und pietätlos" gewesen seien. "Ein solches Verhalten ist nicht mehr nur irritierend – es ist ekelhaft."

Welch ein frustrierender Tag für die AfD-Funktionäre, die aus ganz Deutschland angereist waren: Nicht nur hatte der Tortenwurf schon für Aufregung, einen Polizeieinsatz und eine stundenlange Unterbrechung gesorgt. Wenig später seilten sich außerdem Aktivisten an der Außenfassade des Hotels ab und hissten dort ein Banner. Dann begannen Polizei und Hotelleitung die AfD zu drängen, die Räumlichkeiten „innerhalb von wenigen Minuten verlassen zu müssen“, wie es im Sitzungsprotokoll heißt.

Für die Programmkommission war das ein ernstes Problem – sie hatte noch so gut wie nichts besprochen, geschweige denn beschlossen. Vor allem sollte an jenem 28. Februar geklärt werden, wie der weitere Fahrplan in Richtung Stuttgart aussehen sollte. Dort sollen die AfD-Mitglieder ab dem 30. April auf einem zweitägigen Parteitag über ihr künftiges – und überhaupt erstes – Grundsatzprogramm abstimmen.

Anträge im Eiltempo abgenickt

Und so gelangen an diesem Sonntag plötzlich „in kurzer Folge die folgenden Anträge zur Abstimmung, um die Verfahrensweisen bis zum Bundesparteitag verbindlich festzulegen.“ Es sind fast allesamt strittige Anträge, keiner der Anträge wird einstimmig beschieden. Mal gibt es vier Fürstimmen und 14 Gegenstimmen, mal 16 Fürstimmen und drei Gegenstimmen.

Die Funktionäre beschließen, gesundheitspolitische Fragen zunächst weiter auszuklammern – und dass sie die weiteren Änderungsanträge online abstimmen wollen. „Zur weiteren Verfahrensweise der Bundesprogrammkommission bis zum kommenden Parteitag wird eilig debattiert“, heißt es in dem Protokoll.

In letzter Minute, alles im Eiltempo, wird schließlich noch das sogenannte „Redaktionsteam“ vergrößert, das für die Entwicklung des Programmentwurfs verantwortlich ist – wieder eine durchaus politische Frage. Diese wichtige Arbeit soll nun nicht mehr nur in der Hand von Beatrix von Storch und dem früheren FAZ-Redakteur Klaus Peter Krause liegen, sondern gleich um vier weitere Personen ergänzt werden: Lothar Maier, Wolfgang Mousiol, Götz Frömming, Albrecht Glaser. Auch dies ist eine Kampfabstimmung: 14 Funktionäre sind dafür, acht dagegen, einer enthält sich.

Dann ist der für die AfD frustrierende Kampftag beendet: „Herr Glaser schließt die Sitzung um 15.13 Uhr. Die Räumlichkeiten müssen auf Geheiß von Hoteleigentümer und Polizei verlassen werden.“

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