Es gibt Wurstsemmeln in Mamas Hüttn

BAYERNFOLK Jodelpop nennt Maria Reiser ihre Musik, die sie am Samstag im feschen Dirndl im Valentin Stüberl spielen wird

Die Idee, bayerische Volksmusik mit Country und HipHop zu verschmelzen, ist eine eher bekloppte Idee. Andererseits: Wenn man Maria Reiser heißt, in der Hallertau, also mitten im größten Hopfenanbaugebiet der Welt, aufgewachsen ist, klassischen Gesang studiert und in der Schweiz das Jodeln erlernt hat, dann ist diese Idee wahrscheinlich gar nicht so bekloppt, sondern sehr naheliegend.

Das Ergebnis jedenfalls, also das, was die 32-jährige Reiser selbst bayerischen Jodelpop nennt und im feschen Dirndl aufführt, gehört zum Seltsamsten, aber auch Spannendsten, was momentan aus Berlin kommt, auch wenn Berlin dafür nicht viel kann. Denn Reiser lebt zwar seit ein paar Jahren in der Hauptstadt, ihre Einflüsse aber hat sie entweder von zu Hause, also aus Niederbayern, mitgebracht oder ganz woanders, in der weiten Welt, gefunden.

Das ist wörtlich zu nehmen. Denn Reiser hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder mit ihrer Gitarre auf den Weg gemacht, um auszuprobieren, wie ihre gewagte Melange in fremden Ländern aufgenommen wird. Sie war in Indien, Südafrika und in Namibia. Durch die USA ist sie vor drei Jahren dann gleich sechs Monate lang gereist. Sie ist in Cafés mitten im Nirgendwo aufgetreten, hat für die Gäste von Trucker-Kneipen gespielt oder gleich auf der Straße. In Las Vegas schließlich stand sie im dortigen Nachbau des Hofbräuhauses auf der Bühne – und das Publikum johlend auf den Tischen.

Mit dieser Reise, dokumentiert in einem kleinen Video auf ihrer Website, geht es los. Reiser merkt, dass ihre Idee selbst – oder vielleicht gerade – bei einem völlig unvoreingenommenen Publikum funktioniert: „Ich habe mich daheim gefühlt“, sagt sie im Film, „obwohl ich da eigentlich nicht daheim bin.“ Und so weit hergeholt, wie sie erscheint, ist ihre Idee auch gar nicht: In der Country-Musik wurde schon früher ausführlich gejodelt und auch gern einmal ein Polka-Rhythmus aufgelegt, weil die Einwanderer aus Deutschland und Polen ihre Einflüsse mit ins Gelobte Land gebracht hatten. Reiser mixt nun auch noch den Zwiefachen und den Landler dazu, lässt ihre Lieder mal im Walzer-, mal im Reggae-Rhythmus hüpfen.

Das Ergebnis ist Popmusik, die kaum ein Genre auslässt und schwer einzuordnen ist. Auch weil Reiser dazu von Wurstsemmeln singt, über „Mamas Hüttn“ oder die „Kellnerin“, die das Besteck zu spät bestellt hat, was sich auf Bayerisch aber irgendwie ganz anders anhört. Sie rappt auch über einen gewissen Mo, wozu dann auch noch Mariachi-Trompeten ihren Kommentar abgeben, um die kulturelle Verwirrung komplett zu machen.

Denn das globale Dorf rückt in der Musik von Maria Reiser faszinierend, aber auch gefährlich nah zusammen. Möglich ist alles, wenn Reiser ihr Versprechen wahr macht: „Bayern goes World“ soll ihr Debütalbum heißen, das zwar schon lange einen Namen hat und schon vor einem Jahr erscheinen sollte, aber immer noch auf sich warten lässt. Bis dahin sind die so bekloppten wie naheliegenden Ideen von Maria Reiser am besten auf der Bühne zu bestaunen.

THOMAS WINKLER

■ Samstag, 29.12., 20 Uhr, Valentin Stüberl, Donaustr. 112, Neukölln