Kommentar Gentechnik-GegnerInnen: Die Bio-Gesinnungspolizei

Manche Kritik an Urs Nigglis Aussagen zur Gentechnik ist autoritär. Teile der Umweltbewegung sind so intolerant wie ihre Gegner.

Eine Frau hängt kopfüber an einer Stange, dahinter ein Banner gegen Gentechnik

Aktion gegen Gentechnik. Auch die Kritik an Urs Niggli steht teilweise auf dem Kopf Foto: dpa

Mit freier Debatte haben manche in der Bio- und Anti-Gentechnik-Bewegung ein Problem. Das zeigen Reaktionen auf das taz-Interview vom 6. April mit Urs Niggli, dem Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (Fibl). Er hatte in der taz gesagt, dass die neue Gentechnik-Methode Crispr/Cas „großes Potenzial“ habe.

Doch manche Aktivisten, etwa im Umfeld des Bioverbands Demeter, wollen solche Thesen nicht diskutieren, sondern diese unterdrücken. Darum geht es, wenn diese Gesinnungspolizisten fordern, dass Niggli schweigen oder gar seinen Posten verlieren solle.

Solches Gebahren hat die Linke stets zu recht kritisiert, zum Beispiel wenn Gentechnik-kritische Wissenschaftler in öffentlichen Instituten kaltgestellt wurden. Der Fall Niggli beweist, dass Teile der Umweltbewegung genauso intolerant sind wie ihre Gegner.

Tatsächlich widerspricht Niggli mit seinen Äußerungen der Beschlusslage der Bioverbände. Aber das sollte er dürfen. Schließlich ist er kein Lobbyist, sondern Wissenschaftler. Die Freiheit der Forschung ist ein hohes Gut. Nur wenn Wissenschaftler ohne Denkverbote Ideen entwickeln und diskutieren können, kann es Fortschritt geben.

Für das Fibl wäre es eine Katastrophe, wenn Niggli nun bestraft würde. Nicht nur, weil es den Kopf verlieren könnte, der aus einer kaum gehörten Institution das weltweit bekannteste Institut seiner Art gemacht hat. Sondern auch, weil die Glaubwürdigkeit des Instituts dahin wäre. Forschungsergebnisse des Fibl würden sich immer leicht abwerten lassen, weil seine Wissenschaftler ja nur einer Ideologie verpflichtetes Sprachrohr der Bioverbände seien.

Dann wäre es aber fraglich, ob der Schweizer Staat noch ein Viertel des Institutsetats finanzieren würde. Schlimmer aber wäre: Das Fibl würde nicht mehr als seriöse Forschungseinrichtung gelten. Und könnte nicht mehr so wirksam den Biolandbau mit wissenschaftlicher Expertise unterstützen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.