Prozesse gegen Rechtsextreme: Offenbar gut informiert

Vom Reker-Attentäter bis zum Mammutprozess um den NSU: Gleich mehrfach beschäftigt rechter Terror derzeit die obersten Behörden des Landes.

Drei Stühle vor einer Wand, an ihr hängt ein Wappen

Hier steht Timo S. wegen Terrorverdacht unter Anklage: Amtsgericht Dresden Foto: dpa

MÜNCHEN taz | Erst eine Woche ist es her, da ließ die Bundesanwaltschaft vier Männer und eine Frau im sächsischen Freital festnehmen. Sie sollen mit drei bereits Verhafteten hinter Anschlägen mit illegalen Böllern auf zwei Flüchtlingsunterkünfte und ein linkes Wohnprojekt stecken. Der Vorwurf: Rechtsterrorismus und versuchter Mord.

Offenbar waren die Ermittler gut informiert. Ihnen liegen nach taz-Informationen interne Chatprotokolle und abgehörte Telefonate vor; zudem berichtete ein Zeuge Interna aus der Gruppe. Laut Sicherheitskreisen wurden die Hinweise allerdings zeitversetzt ausgewertet, weshalb einzelne Anschläge nicht verhindert werden konnten. Grüne und Linke hatten dies kritisiert.

Im Innenausschuss des Bundestags berichteten am Mittwoch hinter verschlossenen Türen Vertreter von Bundesanwaltschaft und BKA über Freital. Sie betonten nochmals die hohe Sprengkraft der verwendeten Pyrotechnik. Dass in der Freital-Gruppe auch ein verdeckter Ermittler mitwirkte, wie es der Spiegel berichtete, wurde bestritten.

Der mutmaßliche Rädelsführer der Freitaler Gruppe, Timo S., musste sich am Dienstag bereits vor dem Amtsgericht Dresden verantworten. Das Gericht verurteilte ihn zu zwölf Monaten auf Bewährung für eine Baseballschläger-Attacke auf Flüchtlingshelfer im Juni 2015 in Freital. Der 27-Jährige hatte die Tat gestanden. Zu den Terrorvorwürfen zählte die Tat nicht. Dafür wird sich S. vor höheren Instanzen verantworten müssen.

In Düsseldorf steht seit Mitte April Frank S. vor Gericht. Der 44-Jährige hatte im Oktober die heutige Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker mit einem Messer in den Hals gestochen. Auch hier ist die Bundesanwaltschaft Anklägerin. S. sagte, Reker habe ihm als „linksradikale Schickimicki-Ideologin“ für eine verfehlte Flüchtlingspolitik gegolten.

Bereits im März verbot Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die rechtsextreme „Weiße Wölfe Terrorcrew“. Die Gruppe erstreckte sich über mehrere Bundesländer, in Bamberg soll sie Anschläge auf Asylunterkünfte geplant haben. Intern diskutierte die Gruppe über einen „bewaffneten Aufstand“ und „Überfälle auf irgendwelche Politikerschweine“.

Zudem läuft in München seit drei Jahren der NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer. Ein Urteil wird inzwischen zum Jahresende erwartet.

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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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