Braunkohle-Proteste

Nicht alle Lausitzer waren von den Blockierern begeistert. Die Polizei jedoch verfolgte eine Deeskalationsstrategie

Friede den Hütten

Sicherheit Die brandenburgische Polizei reagiert mit bemerkenswerter Zurückhaltung auf Proteste in der Lausitz. Wer Schienen oder Bagger blockiert hat, bleibt unbehelligt

Das blieb eine Ausnahme: Polizisten räumen die Bahnstrecke zum Kohlekraftwerk „Schwarze Pumpe“ Foto: M. Golejewski/Adora Press

Aus Welzow Malte Kreutzfeldt
und Martin Kaul

Es war eine ungewöhnliche Form der Zusammenarbeit, als die Polizei am Sonntagnachmittag erstmals direkten Kontakt zu den Anti-Kohle-Aktivisten in der Lausitz aufnahm, die seit mehr als 24 Stunden die Gleise vor dem Kraftwerk „Schwarze Pumpe“ besetzt hielten. Der Einsatzleiter, ein Mann mit breitem Kreuz und kahlem Schädel, fordert die Schienenblockierer freundlich auf, die Gleise jetzt doch bitte zu verlassen – und eine junge Frau, die die Proteste mit organisiert hat, übersetzt seinen Wunsch mit dem Polizeimegafon für die ausländischen AktivistInnen ebenso freundlich ins Englische. Wer dieser Aufforderung innerhalb einer halben Stunde nachkomme, sagt der Einsatzleiter noch in ruhigem Ton, brauche keine Personalien anzugeben und könne unbehelligt abziehen.

Mit dieser Ansage machte die Polizei wahr, was sie angekündigt hatte: einen extrem zurückhaltenden Einsatz, der auf Deeskalation zielte. „Wir halten uns bei allen Grundrechtseingriffen an rechtsstaatliche Grundsätze und achten genau auf die Verhältnismäßigkeit“, sagte Polizeisprecherin Ines Filohn.

Die Staatsanwaltschaft in Cottbus hatte im Vorfeld der Massenproteste in der Lausitz erklärt, dass ein Betreten des Vattenfall-Tagebaus nicht als Hausfriedensbruch gewertet werde, weil das Gelände nicht eingezäunt oder klar gekennzeichnet sei. Die Polizei unternahm darum keinerlei Versuch, die Anti-Kohle-AktivistInnen auf ihrem Weg in den Tagebau oder auf die Gleise aufzuhalten.

Selbst das Besetzen von Schienen oder Baggern wurde nicht als Straftat gewertet. „Nötigungen durch Eingriffe in die Betriebsabläufe des Unternehmens wegen des Besetzens in verschiedenster Form von Gleisanlagen oder Klettern auf Großgeräte sind ebenfalls nach erster Bewertung durch die Staatsanwaltschaft nicht strafrechtlich relevant“, teilte die Polizei Cottbus mit. Und zwar, weil Vattenfall den Betrieb vorsorglich ohnehin eingestellt habe.

„Wir achten genau auf die Verhältnismäßigkeit“

Polizeisprecherin Ines Filohn

Die meisten der über 2.000 Personen, die sich im Laufe des Wochenendes an den diversen, bis zu 48-stündigen Blockaden im Tagebau oder auf den Schienen der Kohlebahnen beteiligten, blieben darum von der Polizei unbehelligt. Festnahmen gab es nur, nachdem einige Aktivisten einen Zaun umgerissen hatten und daraufhin etwa 300 Personen ins innerste Kraftwerksgelände eingedrungen waren. Ihnen wird ­Landfriedensbruch vorgeworfen. Auch von etwa 270 BesetzerInnen, die Schienen und Tagebau bis zum frühen Sonntagabend nicht freiwillig verlassen haben oder sich dort angekettet hatten, versuchte die Polizei, die Identität festzustellen, 36 von ihnen wurden in Gewahrsam genommen. Am frühen Montagmorgen waren alle wieder auf freiem Fuß.

Innerhalb der brandenburgischen Landesregierung scheint dieser zurückhaltende Kurs der Polizei, die dem Innenministerium untersteht, und der Staatsanwaltschaft, die in der Zuständigkeit des Justizministeriums liegt, nicht unumstritten zu sein. „Die illegalen Aktionen in Form einer anmaßenden Form von Selbstjustiz sind vollkommen inakzeptabel und müssen mit der vollen Härte des Rechtsstaats geahndet werden“, forderte SPD-Wirtschaftsminister Albrecht Gerber am Sonntag. Dieser Wunsch, das steht inzwischen fest, blieb unerfüllt.