Ruinöse Landwirtschaft: Die Rückkehr der Quote

Milchpreise von weniger als 20 Cent pro Liter lassen Bauern verzweifeln. Sie fordern ein Ende der Überproduktion – mit staatlicher Hilfe

Tun, was sie können: Milchkühe im High-Tech-Stall Foto: dpa

HANNOVER taz | Knapp eine Woche vor dem geplanten Milchgipfel des Bundes in Berlin fordern sechs grüne Landes-Agrarminister von CDU-Kanzlerin Angela Merkel Hilfe für die Bauern. Nötig seien „nationale und europäische Hilfsmaßnahmen“, so die Ressortchefs aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Hessen.

Gezahlt werden sollen diese Staatshilfen allerdings nur bei einer freiwilligen Senkung der Milchproduktion, schreiben die Grünen Christian Meyer, Robert Habeck, Joachim Lohse, Johannes Remmel, Claudia Dalbert und Priska Hinz in einem gemeinsamen Brief. Sollte die Milch-Überproduktion so nicht beendet werden können, müsse auf europäischer Ebene eine „zeitlich befristete, entschädigungslose Mengenbegrenzung“ greifen.

Faktisch würde das eine Rückkehr zur erst vor einem Jahr abgeschafften Milchquote bedeuten. Derzeit gilt die Lage auf dem Milchmarkt als katastrophal: In der vergangenen Woche erhielten konventionelle Betriebe von Molkereien erstmals weniger als 20 Cent pro Liter. Als kostendeckend gelten Literpreise zwischen 35 und 45 Cent. Biobauern erzielen dagegen Preise von 50 Cent und mehr.

Grund dafür ist eine massive Überproduktion der konventionellen Landwirte: Im vergangenen Wirtschaftsjahr stieg die Milchmenge europaweit um 3,8 Prozent oder 6,1 Millionen Tonnen – das entspricht der gesamten Erzeugung Niedersachsens, rechnet das „Landvolk“, der Bauernverband, vor: Dort produzieren rund 11.000 Betriebe mit durchschnittlich 80 Kühen.

Trotzdem lehnt Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) jede staatlich verordnete Mengenreduzierung ab. „Eine Rückkehr zur Milchquote wird es mit mir nicht geben“, betont der Christsoziale. Stattdessen will er den Erzeugern mit Steuererleichterungen und bedingungslosen Hilfszahlungen unter die Arme greifen. Als Größenordnung kursieren dazu Zahlen zwischen 60 und 100 Millionen Euro.

Dabei gilt die Selbstregulierung des Marktes als unwahrscheinlich. Erst am vergangenen Freitag konnten sich Vertreter von rund einem Dutzend Molkereien bei einem von Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer einberufenen Treffen nicht auf eine freiwillige Mengenreduzierung einigen. Der Grüne sprach daraufhin von „Marktversagen“. Sollte die Überproduktion im Sommer beibehalten werden, werde die Agrarministerkonferenz aller Bundesländer wie bereits angekündigt parteiübergreifend für eine Milchquote plädieren, drohte Meyer.

Bis dahin müsse jede staatliche Hilfszahlung „an eine Drosselung der Produktion“ gekoppelt werden, fordert auch der niedersächsische Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (ABL), Ottmar Ilchmann. Schon heute seien viele Besitzer mittelständischer Landwirtschaftsbetriebe verzweifelt: „Es gibt Kollegen, die verkriechen sich regelrecht“, sagt llchmann, der in Rhauderfehn im Kreis Leer selbst eine Milchwirtschaft mit 60 Kühen betreibt.

Ottmar ilchmann, aBL

„Manche Kollegen fühlen sich als Versager“

„Manche fühlen sich als Versager“, sagt der ABL-Vorsitzende – bei den aktuellen ruinösen Preisen dürfte der allergrößte Teil der Milchbauern tiefrote Zahlen schreiben. „Wir leben von der Substanz, verkaufen Land“, sagt Ilchmann: „Und wenn der Bauer sein Land verkaufen muss, ist das der Anfang vom Ende.“

Auf Bundesagrarminister Schmidt setzt der Landwirt trotzdem keine Hoffnung: „Der veranstaltet einen Gipfel der Abnicker und Schulterklopfer.“ Schließlich habe der Christsoziale nur Organisationen wie den Bauernverband sowie Molkerei- und Handelsvertreter eingeladen – und die argumentieren gebetsmühlenartig, auf dem offenen Milch-Weltmarkt verpufften selbst europaweite Milchquoten.

„Wir Europäer fluten selbst den Weltmarkt mit Milch“, hält Niedersachsens Landesteamleiterin des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter, Johanna Böse-Hartje, dagegen. „Unsere Kollegen aus Neuseeland, die bisher den Export etwa nach China dominierten, haben ihre Produktion gedrosselt.“

Möglich ist das etwa durch geringeren Einsatz von Kraftfutter. „Im milden Klima Neuseelands können Kühe ohne Ställe, ohne teures Winterfutter gehalten werden“, erläutert die Milchbäuerin aus Thedinghausen bei Bremen. „Gegen diese Kostenstrukturen können wir auf dem Weltmarkt niemals konkurrieren“, sagt Böse-Hartje. „Meine Hoffnung ist, dass Bundesminister Schmidt sein Amt schnellstmöglichst niederlegt.“

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