Zensur auf der Krim: Eine Stimme gegen das Regime

Die letzte regimekritische Nachrichtenseite auf der Krim ist blockiert. Die Bewohner suchen nach Möglichkeiten, die Sperre zu umgehen.

Eine lachende Frau im weißen Kleid hält ein Mikrofon in der Hand und winkt

Krimtatarin Jamala tritt für die Ukraine an Foto: reuters

BERLIN taz | Die krimtatarische Sängerin Jamala, die am Donnerstagsbend für die Ukraine an der Eurovision teilnimmt, spricht in einer Video-Botschaft an ihre Landsleute. „Ich mag vielleicht naiv sein, aber ich hoffe, dass dieses Tröpflein – mein Lied heute Abend in Stockholm – den Menschen helfen wird zu verstehen, dass die Krim wunderschön und unbefleckt ist, dass mein Herz dort ist. Steht mir einfach bei!“

Es sind knappe, bewegende Sätze, die aber von denjenigen nicht erhört werden können, an die sie in erster Linie gerichtet sind, die Bewohner der Krim, wo Jamala aufgewachsen ist, und wo ihre Familie immer noch lebt. Das Video befindet sich nämlich auf der Nachrichtenseite „Krim Realii“, die ab heute auf dem Territorium Russlands nicht mehr zugänglich ist. „Krim Realii“ gehört zum US-finanzierten Sender Radio Free Europe, ist die letzte regimekritische Stimme auf der Krim und hiermit seit langem ein Dorn im Auge der skandalumwitterten Staatsanwältin der Krim Natalija Poklonskaja.

Formeller Anlass für die Sperrung war ein Interview mit einem Vertreter der Medschlis, eines Selbstverwaltungsorgans der Krimtataren, das die russischen Behörden trotz massiver Kritik aus dem Westen unlängst als extremistische Organisation eingestuft haben. „Es rufe zu Sabotage und Extremismus auf“, erklärte Poklonskaja am Donnerstag der Agentur Interfax.

Von der CIA bezahlt

Die Generalstaatsanwaltschaft forderte daraufhin die Medienaufsicht Roskomnadsor in Moskau, lediglich die Seite mit dem Interview zu sperren. Sowohl die User als auch die Betreiber der Nachrichtenseite wiesen jedoch darauf hin, dass die gesamte Webseite in Russland nicht mehr abrufbar ist. Und das ausgerechnet an dem Tag, wo die Krimtatarin Jamala, die zu den Favoriten des Song Contests zählt, das Halbfinale beschreitet. Wer hat Angst vor der Krimtatarin Jamala?

Seit Wochen werden auf einschlägigen russischen Foren schmutzige Schlachten um Jamala geführt, es tauchen gefakte Geschichten auf, wo behauptet wird, dass der Sieg der Krimtatarin durch Gelder der CIA längst besiegelt sei. Jamalas Lied heißt „1944“ und erzählt die persönliche Geschichte von Jamalas Vorfahren, die unter Stalin deportiert wurden.

Das Top-Thema des Tages auf den Krim-Foren sind die Tipps, wie man eine Webseiten-Blockade umgehen kann. „Es gibt dafür eine Unmenge von Möglichkeiten“, schreibt der Sicherheitsexperte im Netz Nikolaj Kostisjan. „Die einfachste Methode ist das Programm Psiphon3 zu installieren. Herunterladen, loslegen – und die Seite funktioniert wieder“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.