Arbeitsmarktreform in Frankreich: Die Stimmung ist explosiv

Die Regierung übersteht den Misstrauensantrag. Damit gilt das Arbeitsgesetz als verabschiedet. Die Wut auf den Straßen ist groß.

Schwarz gekleidet und vermummte Demonstranten rollen einen Altglascontainer die Straße entlang

Demonstranten in Paris lassen ihrer Wut freien Lauf Foto: dpa

PARIS taz | Die französische Regierung hat eine Vertrauensabstimmung überlebt. Der Misstrauensantrag der bürgerlichen Opposition bekam trotz der zusätzlichen Stimmen aus dem Lager von Kommunisten, Linkspartei und Grünen mit 246 Stimmen nicht die erforderliche absolute Mehrheit von 288.

Die „Frondeurs“ des linken Flügels im Parti Socialiste wollten trotz ihrer Kritik an der Arbeitsmarktreform zuletzt doch nicht gegen die sozialistische Regierung von Premierminister Manuel Valls stimmen. Noch am Mittwoch hatten sie offen mit dem Gedanken gespielt, zusammen mit Vertretern der anderen Linksparteien einen eigenen Misstrauensantrag einzureichen, um so nicht zusammen mit den Bürgerlichen votieren zu müssen.

Zuletzt hatten diese internen Kritiker der Regierungspartei aber nicht die erforderliche Anzahl von Abgeordneten zusammen gebracht, die es für die Einreichung eines solchen separaten Antrags braucht. Die Parteiführung hatte zudem allen Sozialisten, die mit der Rechten gegen die Regierung stimmen, mit dem Ausschluss gedroht. Das hat vielleicht die einen oder anderen auch bewogen, bei einer Vertrauensabstimmung, die zum Sturz der Regierung führen könnte, den „Rubikon“ nicht zu überschreiten.

Nach dem Forcing der Regierung mit dem Verfassungsartikel 49-3 gilt die umstrittenen Revision des Arbeitsrechts somit in der Nationalversammlung für verabschiedet.

Verdoppelte Empörung

Doch für die Staatsführung wäre es verfrüht, jetzt aufzuatmen. Denn der parlamentarische Kraftakt (der Artikel 49-3 erlaubt es, der Exekutive, eine Vorlage ohne Votum für angenommen zu erklären) hat die Empörung der Gegner dieser Arbeitsmarktreform noch verdoppelt und verdreifacht. Wie schon am Mittwochabend demonstrierten sie auch gestern vor und nach der Abstimmung im Parlament spontan in zahlreichen Städten und in der Hauptstadt. In ihre Entschlossenheit mischt sich grimmige Wut.

Von überall werden Zusammenstöße zwischen Demonstranten und der Polizei gemeldet. In Paris setzten die Ordnungshüter nach mehreren Zwischenfällen neben Tränengas auch Granaten ein. In Nantes wurde ein Bahnhofsgebäude am Rand der Demonstration durch Randalierer beschädigt, der Bahnverkehr kam zum Erliegen. Als die Polizei die Kundgebung gewaltsam auflöste und zahlreiche Leute festnahm, flohen mehrere Demonstranten, indem sie den Saint-Félix-Kanal durchschwammen.

Die Lage könnte rasch in ganz Frankreich explosiv werden. Denn für die kommenden Woche sind in vielen Sektoren Streiks und überall im Land Kundgebungen angesagt. Dies dürfte namentlich den Verkehr schwer behindern. Die Lastwagenfahrer drohen mit Blockaden, denn das revidierte Arbeitsrecht bedeutet für sie eine verminderte Entschädigung der Überstunden und laut Gewerkschaftsangaben eine Einkommenseinbusse von rund hundert Euro pro Monat.

Es wäre nicht das erste Mal, dass solche Aktionen der Lastwagenfahrer zusammen mit Streiks bei der Bahn und im Stadtverkehr in Frankreich eine Regierung zum Einlenken oder sogar zum nachträglichen Verzicht auf ein verabschiedetes Gesetz zwingen würde.

Die Reform lockert den bisherigen Kündigungsschutz und ermöglicht es den Unternehmen, sich mit einer Befragung des Personals über Bestimmungen der Branchenverträge hinwegzusetzen. Den Arbeitgebern geht diese Liberalisierung nicht weit genug, für die Gewerkschaften wirkt der Angriff auf ihre sozialen Errungenschaften schlicht wie eine Kriegserklärung. Dabei sollte die Reform doch den sozialen Dialog stärken.

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