Kommentar Klimaprotest: Braunkohle-Fans drehen völlig durch

Die sächsische CDU beschimpft friedliche Klimaaktivisten als „Terroristen“. Wer braucht da noch Rechtspopulisten?

Viele Menschen stehen und sitzen zusammen

Jede Menge „Terroristen“ bei der „Randale“ auf den Gleisen vorm Vattenfall-Kraftwerk Schwarze Pumpe Foto: dpa

Nein, es war kein Witz, keine rhetorische Überspitzung. Mehrere Landtagsabgeordnete der sächsischen CDU haben am vergangenen Donnerstag die Braunkohlegegner, die am Pfingstwochenende einen Tagebau und ein Kraftwerk von Vattenfall blockiert haben, als „Terroristen“ bezeichnet. Nachdem Union und SPD die Blockadeaktion schon zuvor in völliger Verkennung der Fakten als „Gewaltorgie“ und die Teilnehmer als „Klimarandalierer“ bezeichnet hatten, erreicht die Realitätsverweigerung eine weitere Dimension.

Zur Erinnerung: Mit mehr als 3.000 TeilnehmerInnen hatte die Lausitz zu Pfingsten eine der größten Aktionen zivilen Ungehorsams seit Langem erlebt. Der Aktionskonsens des Bündenisses „Ende Gelände!“, der alle Beteiligten zu Gewaltlosigkeit verpflichtete, wurde dabei angesichts des breiten und sehr internationalen Teilnehmerspektrums erstaunlich gut eingehalten. Angriffe auf Personen gab es überhaupt nicht – was durch das sehr zurückhaltende Einsatzkonzept der Polizei begünstigt wurde. Als zentraler Beleg für die „Gewaltorgie“ dient ein einziger beschädigter Zaun.

Dass Union und SPD in Sachsen die Realität vollständig ignorieren, ist leider nicht auf die Einschätzung der Proteste beschränkt. Es trifft auch auf den Anlass zu: Obwohl völlig klar ist, dass Deutschland aus der Braunkohle deutlich früher aussteigen muss als derzeit geplant, vermitteln die Parteien den Menschen in Ostdeutschland den Eindruck, dass noch mehrere Generationen vom Abbau des Klimakillers leben könnten. Der notwendige Strukturwandel wird damit verhindert.

Nichts zeigt jedoch die Verlogenheit derjenigen, die eine „Gewaltorgie“ in der Lausitz beklagen, besser als die Tatsache, dass sie jene Gewalt gegen Menschen ignorieren, die es am Pfingstwochenende tatsächlich gab. Die richtete sich gegen die Klimaaktivisten, und zwar nicht nur seitens Rechtsextremen, sondern auch seitens Teilnehmern einer eher bürgerlichen Pro-Braunkohle-Demonstration. Kein Wort dazu von Union und SPD.

Wenn man sich dieses faktenfreie Hetzen gegen angebliche Gewalt von Linken bei gleichzeitigem Ignorieren der tatsächlichen Gewalt gegen Linke anschaut, fragt man sich: Wozu braucht Sachsen eigentlich noch die rechtspopulistische AfD?

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Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.

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