Politische Debatte über Sexualstrafrecht: Wie viel wert ist ein Nein?

Wie ernst meint es die Koalition mit der Reform des Sexualstrafrechts? Es gibt noch keinen Gesetzentwurf für ein „Nein heißt Nein“.

Ein weiblicher Oberkörper mit den Worten No = No

Was genau gibt es da nicht zu verstehen? Foto: dpa

BERLIN taz | Es ist wieder passiert: Frauen wurden umzingelt, angegrapscht, unsittlich berührt. Diesmal in Darmstadt, beim Schlossgrabenfest am vergangenen Wochenende. Mittlerweile haben 18 Frauen bei der Darmstädter Polizei Anzeige wegen sexueller Belästigung erstattet.

Könnte sein, dass diese neuen Vorfälle eine Rolle spielen, wenn sich am Mittwochnachmittag PolitikerInnen und Sachverständige im Rechtsausschuss des Bundestages treffen, um über eine Verschärfung des Sexualstrafrechts zu reden. Einem entsprechendem Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD) zufolge sollen die Paragrafen 177 und 179 des Strafgesetzbuchs reformiert werden.

Seit Jahrzehnten fordern Frauenverbände, ExpertInnen und PolitikerInnen der Opposition eine große Reform des Sexualstrafrechts, die ein „Nein heißt Nein“ ins Gesetz schreibt. Zunächst sah es so aus, als könnte es tatsächlich zur großen Reform des Sexualstrafrechts kommen: Justizminister Maas zeigte sich nach seiner ursprünglichen Blockade offen für ein „Nein heißt Nein“. Auch die Fraktionschefs von Union und SPD, Volker Kauder (CDU) und Thomas Oppermann (SPD), haben sich Anfang Mai zu dieser Konsequenz bekannt.

Doch Bekunden ist das eine, Tatsachen schaffen das andere. Seit den Vorfällen in der Kölner Silvesternacht, bei der es zu über 400 sexuellen Übergriffen kam, gibt es einen breiten gesellschaftlichen Konsens für ein „Nein heißt Nein“. Das hätte im Gesetzentwurf von Justizminister Mass längst Eingang finden können.

Doch den Sachverständigen in der Anhörung liegt mit dem Maas-Papier ein Vorschlag vor, der all diese Forderungen nicht enthält. Beim Reformvorschlag geht es um Vergewaltigung. So soll es künftig nicht nur strafbar sein, wenn der Täter den Sex mit Gewalt erzwingt oder eine schutzlose Lage des Opfers ausnutzt, sondern auch, wenn er das Opfer überrumpelt.

In Darmstadt ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft nach sexuellen Übergriffen durch "Antänzer" bei einem Musikfestival. 26 Frauen hätten sich bis Dienstagnachmittag bei der Polizei gemeldet, sagte der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Südhessen, Ferdinand Derigs. Die Frauen hätten angegeben, dass jeweils mehrere Männer, die wie Asylbewerber aussahen, sie beim Darmstädter Schlossgrabenfest angetanzt und begrapscht hätten.

Nach den ersten drei Anzeigen zum Abschluss des Schlossgrabenfests am Sonntag hatte die Polizei drei Tatverdächtige aus einer Gruppe von fünf bis sechs Männern festgenommen. Sie hätten die pakistanische Staatsangehörigkeit, zwei von ihnen seien Asylbewerber, beim Dritten sei der Status noch unklar, sagte Derigs. Nach ihrer Vernehmung seien sie wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Weitere Tatverdächtige seien bisher nicht ermittelt worden. Die Polizei suche weiter Zeugen. (epd)

Das sogenannte Grapschen, so wie es gerade in Darmstadt und in der Silvesternacht in Köln massenhaft passiert ist, ist im Gesetzentwurf nicht enthalten. Ebenfalls nicht im Maas-Papier enthalten ist das Prinzip „Nein heißt Nein“: Wer eine schlichte verbale Absage an ein sexuelles Angebot ignoriert, soll künftig bestraft werden. Bislang macht sich nur strafbar, wer Sex mit Gewalt oder mit bestimmten Drohungen erzwingt. Oder wer die schutzlose Lage seines Opfers ausnutzt.

Wie ernst zu nehmen sind die Bekenntnisse von Maas, Kauder und Co? Wie steht die Koalition tatsächlich zum sexuellen Selbstbestimmungsrecht? Hinter den Kulissen munkelt man, dass es schwierig werden könnte mit einem gesetzlichen „Nein heißt Nein“.

Dem widerspricht Elisabeth Winkelmeier-Becker von der CDU. Die Unionsfraktion habe sich zu einem „Nein heißt Nein“ bekannt, sagt die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur taz: „Wir arbeiten derzeit an der Umsetzung.“ Ebenso stehe die Union hinter dem Vorstoß, „Begrapschen“ künftig bestrafen zu wollen.

Johannes Fechner, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, versichert gegenüber der taz, dass ein „Nein heißt Nein“ noch in diesem Jahr umgesetzt werden soll, möglicherweise vor der Sommerpause. Fürs Grapschen könnte es einen eigenen Straftatbestand geben. Es könnte „sexueller Übergriff“ heißen und mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden.

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