Machtkampf in der AfD: Der Riss

In der AfD entbrennt der Führungsstreit vollends. Meuthen gründet eine eigene Landtagsfraktion, Frauke Petry inszeniert sich als Konkurrenz.

Mikrofone werden Frauke Petry entgegengehalten, Perspektive von leicht oben

Für wen spricht sie hier eigentlich? Frauke Petry, am Mittwoch im Landtag Foto: dpa

BERLIN/STUTTGART taz | Am Mittwochvormittag springen Frauke Petry und Jörg Meuthen doch noch über ihren Schatten. Zu einem Vier-Augen-Gespräch treffen sich die AfD-Bundessprecher im Stuttgarter Landtag. Nun doch. Welche Worte dort fielen, darüber schweigen die beiden vorerst. Nach dem Treffen gehen sie wieder getrennte Wege.

Es ist der Versuch, eine Eskalation einzufangen, die am Vortag endgültig durchgeschlagen war. Da hatte Meuthen, auch AfD-Fraktionschef im baden-württembergischen Landtag, wegen des Streits über den antisemitischen Abgeordneten Wolfgang Gedeon erklärt, mit zwölf Gefolgsleuten die Fraktion zu verlassen. Der Riss aber geht tiefer: Es ist längst auch ein Riss in der AfD-Bundesführung – zwischen Meuthen und Petry.

Wie weit dieser fortgeschritten ist, das zeigt sich am Mittwoch. „Machtkämpfe“ werfen sich die Anhänger beider Lager gegenseitig vor. Eine steht dabei inzwischen ziemlich allein da: Frauke Petry.

AfD-Bundesvize Alexander Gauland, ein Meuthen-Getreuer, spricht von einer „massiven Einmischung“ der Parteichefin in die Stuttgarter Affäre, von ihrer „unsinnigen Idee“, den Streit mit einer Gutachterkommission zu klären. Zwischen den Parteichefs gebe es „erhebliche Verletzungen“.

Im Bundesvorstand ist Petry fast ohne Unterstützer

Mit Gauland gehen auch neun weitere der 13 Bundesvorstände der AfD auf Abstand zu Petry. In einem Beschluss begrüßten sie den Austritt Meuthens. Nur dessen neue Fraktion werde künftig als Vertreter der AfD anerkannt. Bei der Telefonkonferenz zu dem Beschluss waren Petry und ihre zwei letzten Vertrauten im Vorstand schon nicht mehr dabei.

Petry war da, am Dienstagnachmittag, bereits unterwegs zum Stuttgarter Landtag, auf eigene Faust – und vergrößerte das Chaos noch einmal. Hinter verschlossenen Türen sprach sie mit der Streitfigur Wolfgang Gedeon. Am späten Abend traten dann beide vor die Kameras. Gedeon verkündete seinen Rücktritt – was Meuthen stets verlangt, Gedeon bis dahin genauso vehement aber abgelehnt hatte. „Die Spaltung der AfD-Fraktion wurde heute Abend abgewendet“, erklärte Petry. Nun arbeite man daran, „zu alter Stärke und Einheit zurückzufinden“.

Doch davon ist die Partei weit entfernt. Keine Stunde dauerte es, da widersprach Meuthen per Presseerklärung: Gedeons Rückzug ändere nichts an der Spaltung. Diese sei vollzogen worden, als sich 10 der 23 Abgeordneten einem Ausschluss Gedeons verweigert hatten. Diese zehn trügen die Verantwortung, sie seien „der Spaltpilz“. Auch Petry bekam ihr Fett weg: Die Überredung Gedeons sei ein „unwürdiges Schauspiel“. Eines, das Meuthen gern verhindert hätte. Er hatte versucht, für Petry ein Hausverbot im Landtag zu erwirken – ohne Erfolg. Tiefer kann der Riss kaum sein.

Meuthen wollte Hausverbot für Petry

Am Mittwoch ist Petry wieder im Landtag unterwegs. Sie sei gerufen worden, sagt sie, als „Vorsitzende von Gesamtdeutschland“. Sie wolle die Fraktion wieder zusammenführen. Über Stunden spricht sie mit der zurückgebliebenen AfD-Rumpffraktion um Gedeon – der immerhin noch drei Fraktionsvorstände angehören.

Parallel schafft Meuthen bereits Fakten. Am Nachmittag verkündet er die Gründung einer eigenen Fraktion: der „Alternative für Baden-Württemberg“. Diese sei bereits bei der Landtagsverwaltung angemeldet, Vorsitzender sei er selbst. „Wir sind die AfD“, sagt Meuthen. „Mein Ziel ist es, dass die AfD eine von Antisemitismus, Rassismus und Extremismus saubere Partei ist.“

Einige Räume weiter erklärt Petry über die Restfraktion das Gegenteil: „Dies hier ist die AfD-Fraktion in Baden-Württemberg.“ Mit Gedeons Austritt habe die Fraktion ein „starkes Signal“ gegen Antisemitismus gesetzt.

Um Inhalte geht es aber längst nicht mehr. Offen attackieren Meuthens Gefolgsleute Petry. Die versuche „mithilfe eines Antisemiten gegen Meuthen zu integrieren“. Das Petry-Lager keilt zurück. Wer nach dem Gedeon-Rücktritt noch an der Spaltung der Fraktion festhält, „dem geht es nicht um Antisemitismus“, sagt ihr Vertrauter Sven Tritschler, Chef der Parteijugend. „Das sind Machtspielchen.“

Versuch, Petry als Spitzenkandidatin zu verhindern

Das Zerwürfnis spaltet die Partei. Offen hatten sich Meuthen, Gauland und der Rechtsausleger Björn Höcke zuletzt von Petry losgesagt. Das Trio will Petry als alleinige Spitzenkandidatin bei der Bundestagswahl verhindern, wirft ihr Alleingänge und Unzuverlässigkeit vor. Petry wiederum sieht sich von Meuthen hintergangen. Einen endgültigen Bruch aber meiden beide Lager: Zu unklar ist, wie die Mehrheiten auf einem Parteitag ausfielen, der über eine Spitzenkandidatur entscheiden würde.

Noch vor anderthalb Wochen hatte sich die Parteispitze in Braunlage im Harz getroffen, um die Machtkämpfe einzuhegen. Vereinbart wurde eine neue Krisenkommunikation, vor Äußerungen über Vorstandskollegen müssen diese vorab kontaktiert werden. Es gelte künftig ein „Prinzip der regionalen Nichteinmischung“. All das ist nun bereits wieder über den Haufen geworfen.

Stattdessen windet sich die Parteiführung um eine Frage: Können Meuthen und Petry, zwei derart zerstrittene Chefs, weiter die AfD führen? Gauland weicht am Mittwoch aus: Inhaltlich lägen beide ja nicht weit auseinander, ein Problem sei der Disput aber schon. Sein Parteikollege Höcke fordert völliges Stillschweigen zu der Frage: ein „allgemeingültiges Pressemoratorium“. Die Partei brauche „jetzt Zeit für sich“.

Ein erster Überläufer: Rainer Balzer

In Stuttgart versucht Meuthen derweil seine Position zu stärken. Er will Anhänger des Gedeon-Lagers zu sich herüberziehen, damit diese keinen Fraktionsstatus mehr erlangen können. Dann wäre er es wieder, der die einzige AfD-Fraktion führt.

Tatsächlich gibt es am Nachmittag einen Überläufer: Rainer Balzer, bisher Fraktionsvize. Er wolle „die Sache der AfD weiter unterstützen und die Wähler nicht enttäuschen“, erklärt Balzer. Die Spaltung habe er nie gewollt.

Die Gedeon-Getreuen werfen Meuthen dagegen schlechten Führungsstil vor. Um Antisemitismus gehe es gar nicht. Meuthen habe mehrfach Entscheidungen in der Fraktion mit einer Rücktrittsdrohung durchsetzen wollen, sagt einer der Gebliebenen. Auch sei die Frage, warum Gedeons Aussagen jetzt plötzlich eine solche Rolle spielten, obwohl sie der Parteispitze lange bekannt waren.

Der Ausgang? Offen. Nur einer scheint das Ende zu ahnen: Ex-AfD-Chef Bernd Lucke. Im Juli 2015 war er auf einem Parteitag als Vorsitzender gestürzt worden – im Kampf gegen Frauke Petry. Nun teilte Lucke mit: „Meuthen tut mir leid. Die ganzen rechten Kräfte werden die Kontrolle über die AfD und ihr Geld nicht hergeben.“

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