Parteispenden mit Fragezeichen

Korruptionsverdacht Viele kleine Spenden, fragwürdige Geschäfte und Ermittlungen der Staatsanwaltschaft: Regensburgs Oberbürgermeister Joachim Wolbergs hat ein Problem

„Keine Hinweise auf persönliche Dienstvergehen“: Wolbergs weist die Vorwürfe zurück Foto: Armin Weigel/dpa

von Dominik Baur

MÜNCHEN taz | „Der Oberbürgermeister ist nicht käuflich“, sagt der Oberbürgermeister. Und der muss es schließlich wissen. Doch könnte seine Darstellung des Sachverhalts, nun ja, subjektiv sein? Diese Frage dürfte sich derzeit so mancher der rund 140.000 Einwohner der ostbayerischen Stadt Regensburg stellen. Denn ihr Oberbürgermeister sieht sich einem bösen Verdacht ausgesetzt: Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Korruption. Noch weiß man nichts Genaues, und natürlich gilt die Unschuldsvermutung. Doch für das Stadt­ober­haupt stehen unangenehme Fragen im Raum. Vom üblichen „faden Beigeschmack“ zu sprechen, erscheint schon fast verniedlichend.

Im Frühjahr 2014 wurde der SPD-Politiker Joachim Wolbergs in Regensburg Oberbürgermeister. Nach einem intensiven Wahlkampf, den er aus einer prall gefüllten Parteikasse bestreiten konnte, besiegte er seinen CSU-Kontrahenten Christian Schlegl in der Stichwahl mit stolzen 70 Prozent.

Heikle Spenden

Dass die Kasse so voll war, verdankte die SPD nicht zuletzt drei örtlichen Baufirmen. Diese sollen dem späteren OB mindestens 500.000 Euro zufließen haben lassen – gestückelt in Einzelspenden unter 10.000 Euro, die nicht deklariert werden müssen. Überwiesen wurde das Geld von Strohmännern, offenbar Mitarbeitern der Unternehmen.

Wolbergs hatte nach Bekanntwerden der Vorwürfe Mitte Juni ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst beantragt. „Ich stelle als Wahlbeamter diesen Antrag in der Überzeugung, dass ein solches Disziplinarverfahren keine Hinweise auf persönliche Dienstvergehen in meiner Funktion als Oberbürgermeister ergeben wird“, ließ der 45-Jährige damals verlauten.

Der Staatsanwaltschaft zufolge besteht der Anfangsverdacht, dass Wolbergs durch die großzügigen Spenden dazu veranlasst werden sollte, seinen Einfluss bei Entscheidungen der Stadt über Bauvorhaben im Sinne der Spender auszuüben. Im Mittelpunkt des Ermittlerinteresses steht dabei die Bauteam Tretzel GmbH, die den größten Teil der Spenden aufgebracht haben soll.

Tretzel, das haben nun Recherchen der Süddeutschen Zeitung (SZ)ergeben, bekam we­nige Monate nach Wolbergs’ Amts­antritt unter eigenartigen Umständen den Zuschlag für ein begehrtes Baugrundstück der Stadt. Es ging um ein fast fünf Hektar großes Areal, auf dem früher die Nibelungenkaserne untergebracht war. 500 Wohnungen sollen hier entstehen. Die Stadtverwaltung hatte die eingegangenen Bewerbungen vor der Entscheidung bewertet. Doch der Stadtrat folgte in seiner Entscheidung nicht der Empfehlung der Verwaltung, deren Favorit ging leer aus. Aber auch Nummer zwei und drei kamen nicht zum Zug – sondern Tretzel, den die Verwaltung gerade mal auf Platz vier präsentiert hatte.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Tretzel findet es jedenfalls völlig abwegig, eine Kausalität zwischen Spenden und Stadtratsbeschluss zu vermuten. „Spenden im politischen Bereich gingen nie nur an einen Bewerber oder eine Partei“, argumentiert der Bauträger in einer Pressemitteilung. „Schon daraus erklärt sich, dass diese Spenden nie auf konkrete Gegenleistungen einzelner politischer Mandatsträger gerichtet sein konnten.“ Auch Wolbergs weist alle Anschuldigungen weit von sich: „Solange ich lebe, hat es nicht einmal den Versuch gegeben, mich kaufen zu wollen.“

Überwiesen wurde das Geld von Strohmännern

Unter Sportsfreunden

Doch es gibt noch mehr Fragezeichen. Eines davon betrifft Norbert Hartl, SPD-Fraktionschef im Stadtrat und leidenschaftlicher Fußballfan. Er sitzt im Aufsichtsrat des Fußballklubs SSV Jahn, wie auch Baulöwe Volker Tretzel. Dass es einen Zusammenhang zwischen Hartl, seiner Funktion im Stadtrat, Entscheidungen über Baugrundstücke und dem großzügigen Sponsoring des Fußballvereins durch Tretzel geben könnte, weisen alle Beteiligten natürlich weit von sich. Übrigens: Hartl hat sich vor wenigen Jahren laut SZ eine Tretzel-Wohnung am Galgenberg gekauft. Der Ausblick von da oben, so schwärmt Hartl offenbar gern, ist grandios.

Auch die Regensburger Personalpolitik weist im Kontext der Causa Wolbergs interessante Facetten auf. So bekommt die Regensburger Stadtbau, eine Tochterfirma der Stadt, einen neuen Technischen Leiter. Ein hochdotierter Job. Die Wahl fiel dabei auf einen früheren Geschäftsführer von Tretzel und Aufsichtsrat des SSV Jahn. Dass laut Süddeutscher Zeitungauch die Bewerbungen von zwei höher qualifizierte Bewerberinnen vorgelegen hatten, stand der Entscheidung offenbar nicht im Wege. In der Ausschreibung war ein abgeschlossenes Bauingenieur- oder Architekturstudium verlangt worden, dass beide Frauen vorweisen konnten – im Gegensatz zum letztlich erfolgreichen Kandidaten aus dem Hause Tretzel. Der ist laut Informationen des Bayerischen Rundfunks (BR) Maurer. „Den Rest“, so heißt es, „hat er sich autodidaktisch beigebracht.“

Im Stadtrat ist man indes zur Tagesordnung übergegangen. In der ersten Sitzung seit Bekanntwerden der Vorwürfe ging der Oberbürgermeister nur kurz auf die Affäre ein. „Das Rathaus macht die Arbeit, die es tun muss, von morgens bis abends“, zitiert ihn der BR. Das aus SPD, Grünen, Freien Wählern, FDP und Piratenpartei bestehende Regierungsbündnis stärkte Wolbergs seinerseits den Rücken und erklärte, es habe bei keinem Stadtratsbeschluss irgendeine Beeinflussung gegeben. Und die Staatsanwaltschaft kündigte bereits an, dass es bis zu einem Ergebnis der Ermittlungen noch etwas dauern könne.