Kommentar Grüne Kritik an Boris Palmer: Er braucht den maximalen Stunk

Die grüne Spitze kritisiert die Abschiebe-Äußerung ihres Tübinger Oberbürgermeisters scharf. Dabei weiß Palmer selbst, dass er Blödsinn redet.

Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer macht eine Geste

Soooo hoch: Boris Palmer jedenfalls kennt die Fallhöhe ganz genau Foto: dpa

Der Ton wird schärfer. „Nonsens“, twittert Grünen-Chefin Simone Peter. Britta Haßelmann, Parlamentarische Geschäftsführerin im Bundestag, meint: „Zynisch.“ Baden-Württembergs LandeschefInnen sagen: „Verantwortungslos.“ Nein, es geht hier nicht gegen die Flüchtlingspolitik der Großen Koalition, nicht gegen Pegida oder die AfD. Sondern gegen den Grünen Boris Palmer.

Der ist seit zehn Jahren Oberbürgermeister der schönen Stadt Tübingen. In dieser Funktion hat er dem Lokalteil der Stuttgarter Zeitung ein Interview gegeben und sich dort auch über die Abschiebung straffällig gewordener Flüchtlinge geäußert. „Es gibt Verhaltensweisen, die dazu führen, dass man sein Aufenthaltsrecht und Schutzbedürfnis verwirkt.“ Auf die Frage, wohin man Syrer denn abschieben könne, antwortete Palmer, auch in deren Herkunftsland gebe es „Gebiete, die nicht im Krieg sind“.

Der Aufschrei fiel maximal aus. Nonsens. Zynisch. Verantwortungslos. Der einstige Sprecher der Grünen Jugend entschuldigte sich gar für Boris Palmer: „Es ist mir peinlich, dass er seinen Geltungsdrang über Menschenrechte stellt und Grüner ist.“

Ist es jetzt also so weit, dass Spitzengrüne sich aufgerufen fühlen, sich öffentlich gegen eines ihrer Bürgermeisterlein zu stellen? Stimmt hier eigentlich die Fallhöhe? Sagen wir mal so: Boris Palmer ist nicht irgendein OB, sondern personifizierte grüne Realpolitik.

Und: Boris Palmer ist Wiederholungstäter. Mag sein, der 44-Jährige braucht den maximalen Stunk, die diskursive Reibung. Er ist überregional bekannt für seinen Widerspruchsgeist und die Verkürzung politischer Sachverhalte auf Wirtshausniveau. Einer wie er möchte eben nicht nur vom grünen Stammwähler sein Kreuzchen bekommen.

Doch gerade gemessen an seiner Gescheitheit bleibt Palmers Einlassung so überraschend unterkomplex. Mit seiner Abschiebungsrhetorik füttert er doch nur die alte Kleinbürgerphantasie vom Problem, das durch Unsichtbarkeit gelöst werden soll. Leute, die unsere Hilfe wollen, begehen Verbrechen? Dann müssen sie weg.

Es ist dieselbe Idee, einen Einbrecher vor die Gartentür zu führen und von ihm zu fordern, er möge fortan draußen bleiben. Aus den Augen, aus dem Sinn. Boris Palmer weiß, dass das Blödsinn ist. Ihm das Recht abzusprechen, ihn auszusprechen, fällt aber letztlich auf seine Partei zurück.

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1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.

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