Kommentar Türkisch-deutsches Verhältnis: Augen zu und durch war gestern

Das Bundesinnenministerium hält die Türkei für eine Aktionsplattform der Islamisten. Daraus müssen Konsequenzen folgen.

Merkel und Erdogan gut gelaunt, auf repräsentativen Sitzmöbeln

Ach, unbeschwerte Zeit, als man sich noch unter Friedensengeln wähnte Foto: dpa

Sicherlich, dass die Türkei dschihadistische Terrorgruppen unterstützt, ist keine neue Erkenntnis. Dass macht jedoch die Einschätzung des Bundesinnenministeriums, das Land am Bosporus habe sich „zur zentralen Aktionsplattform für islamistische Gruppierungen der Region des Nahen und Mittleren Ostens entwickelt“, nicht weniger brisant.

Dass die Hamas schon vor einiger Zeit ihr Hauptquartier von Damaskus nach Istanbul verlegt hat, ist ebenso wenig ein Geheimnis wie die große Nähe der AKP-Regierung zur Muslimbruderschaft oder Ankaras Unterstützung islamistischer Milizen in Libyen. Und jeder, der es wissen wollte, wusste auch von der logistischen Unterstützung in Syrien kämpfender islamistischer „Rebellen“.

Immerhin wurden die Cumhuriyet-Redakteure Can Dündar und Erdem Gül wegen ihrer entsprechenden Berichte über illegale Waffenlieferungen zu mehrjährigen Haftstrafen wegen „Geheimnisverrats“ verurteilt. Nur die Bundesregierung wollte davon offiziell nichts mitbekommen haben, um den Nato-Partner nicht zu verprellen. Denn nichts soll den schmutzigen Flüchtlingspakt mit der Türkei gefährden.

Mit einer „wertebasierten Außenpolitik“, wie sie von der schwarz-roten Koalition so gern propagiert wird, hat der bisherige Umgang mit dem autokratischen Regime Erdoğans nicht zu tun. Da verwundert es nicht, dass die allzu ehrliche Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion eigentlich „aus Gründen des Staatswohls“ nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war. Denn daraus müssten sich Konsequenzen ergeben: vom Abzug der Bundeswehr aus der Türkei bis zur Androhung von Wirtschaftssanktionen.

Jetzt kann die Bundesregierung nicht mehr behaupten, es nicht besser zu wissen. Dann aber darf sie auch nicht länger dem Treiben des türkischen Staatspräsidenten tatenlos zuschauen, der im Inneren immer weiter Demokratie und Rechtsstaatlichkeit aushöhlt und im Äußeren dschihadistischen Terrorismus fördert.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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