Kolumne Rollt bei mir: Mein Feind, der Fahrstuhl

Mein Leben wird diktiert von einem Gegenstand: dem Aufzug. Will er nicht so wie ich, dann kann mein Tag ganz schön durcheinandergeraten.

ein „Defekt“-Aufkleber neben einem „Fahrstuhl-im-Brandfall-nicht-benutzen“-Aufkleber

Ein alter Bekannter unserer Kolumnistin: der „Defekt“-Aufkleber der Deutschen Bahn Foto: Imago/Raimund Müller

Jeden Morgen und jeden Abend erlebe ich meinen persönlichen Gernot-Hassknecht-Choleriker-Moment. Auf dem Weg zur Arbeit und zurück nehme ich die S-Bahn. Um auf das Gleis zu kommen, gibt es zwei Möglichkeiten: Treppe oder Fahrstuhl. Ich nehme natürlicherweise letzteres.

Die Spezies Fahrstuhl und ich sind keine guten Freunde. Man drückt auf den Knopf, die Türen bleiben zu. Als würde der Lift mit hässlicher Fratze sagen: „Du kommst nicht rein, ätsch bätsch“. RollstuhlfahrerInnen und andere gehbehinderte Personen, Menschen mit Kinderwagen kommen an diesem Punkt nicht oder nur schwer weiter. Egal wie eilig man es hat, egal welcher Termin wartet, egal, ob man einen Zug bekommen muss. Das Leben diktiert von einem Gegenstand. Ein entwürdigendes Gefühl.

Seit nicht allzu langer Zeit hängen bei einer Aufzugsstörung, wie es im Bahnjargon heißt, bestimmte Zettel der Deutschen Bahn an den Türen der Lifte. Auf ihnen steht ein Datum, an dem der Lift circa, vielleicht, eventuell, mit ein wenig Glück wieder fährt.

Auf dem Zettel ist noch ein süßes Maskottchen zu sehen, dass sich für die „Unannehmlichkeiten“ in Verbindung mit dem nicht fahrenden Fahrstuhl entschuldigt. Ansonsten ist noch viel weiße Fläche übrig. Dieser Platz wird ausgiebig von den DB-MitarbeiterInnen genutzt. Häufig steht man an dem Tag, an dem der Lift wieder funktionieren sollte vor ihm und stellt fest, dass das ursprüngliche Datum durchgestrichen und durch eine Kalenderwoche ersetzt wurde. Dann heißt es wieder: Umwege in Kauf nehmen, weiter warten, Zeit vergeuden.

Zweites Hindernis: die Mitfahrenden

Nicht nur das Gerät an sich macht einem zu schaffen, auch die MitfahrerInnen. Es gibt viele Amateure unter ihnen. Manche sind sehr aufgeregt, wenn sie in den Lift einsteigen. Sie reden dem Lift gut zu, wenn er nicht gleich startet, sie hauen lieber noch zwei Mal auf sämtliche Knöpfe drauf, bis er endlich startet. Kurz bevor er fährt, verlieren sie die Geduld und drücken auf den Tür-auf-Knopf und nehmen doch die Treppe. Die verbliebenen InsassInnen dürfen derweil noch länger warten, bis er endlich startet.

Trotz dieser Stressmomente für Nicht-Fahrstuhlprofis, scheint das Fahren an sich einen so großen Reiz auszuüben, dass die Rolltreppe viel zu oft links liegen gelassen wird. Von den Spontanfahrern werde ich dann noch ein bisschen herumgeschoben, wie ein Einkaufswagen, der im Supermarkt den Weg versperrt. Das leise Summen der Tetris-Melodie bewahrt mich in solchen Momenten vor körperlichen Auseinandersetzungen.

Bei Fahrstühlen mit Zugang von zwei Seiten wird die Kabine von eben diesen beiden Seiten eingerannt. Kurzerhand löst sich die Menschenschlange auf und es wird sich fröhlich vorgedrängelt. Um nicht unverschämt zu wirken, ziehen die Fahrgäste dann noch ihren Bauch ein, um mir zu signalisieren: „Ich mach mich ja extra dünn“. Wenigstens ihre panischen Gesichter, wenn nach dem Schließen der Tür die Kabine sich nicht sofort in Bewegung setzt, entschädigt ein wenig für Rücksäcke und Hinterteile in meinem Gesicht.

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Judyta Smykowski, geboren 1989 in Hamburg, Studium des Onlinejournalismus und Kulturjournalismus in Darmstadt und Berlin, arbeitet als Texterin und Referentin beim Berliner Sozialhelden e.V. und als freie Redakteurin bei der taz. In ihrer Kolumne schreibt sie über das Leben mit Rollstuhl und den Umgang der Gesellschaft mit behinderten Menschen.  

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