Debatte Familienpolitik: Drei sind keiner zuviel

In Deutschland können bisher höchstens zwei Menschen rechtlich anerkannte Eltern eines Kindes sein. Warum nicht auch drei?

Eine Familie mit drei Kindern und zwei Eltern lächeln in die Kamera

Hier gibt es noch genug Platz für ein drittes Elternteil Foto: Imago/Westend61

Im Kontext der Diversifizierung von Familienformen wurde in den letzten Jahren über verschiedene familienpolitische Aspekte gestritten. Eine Öffnung der Ehe sowie das damit zusammenhängende Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare gehören zu den lautesten Forderungen. Aber eine Debatte darüber, ob auch mehr als zwei Personen Eltern eines Kindes werden können, wird bisher nicht geführt.

Ich lebe in einer Drei-Eltern-Familie. Unser gemeinsames Kind lebt seit mittlerweile eineinhalb Jahren abwechselnd bei mir und bei zwei Müttern. In Deutschland werden bislang aber höchstens zwei Menschen als Eltern eines Kindes rechtlich anerkannt. In der Geburtsurkunde sind wir also nur zu zweit eingetragene Eltern – und nur zu zweit haben wir das Sorgerecht.

In der Praxis verstehen wir uns als drei gleichberechtigte Eltern. Wichtige Entscheidungen treffen wir zu dritt: Wir diskutieren so lange, bis wir zusammen eine Lösung gefunden haben. Wenn ein Elternteil alleine mit dem Kind unterwegs ist, fragt im Alltag kaum jemand nach Geburts­urkunde und Sorgerechtserklärung. Für die Kita und den Kinderarzt gibt es Vollmachten.

Mit meiner Drei-Eltern-Familie stehe ich seit einiger Zeit in der Öffentlichkeit und bekomme immer wieder Nachrichten von (werdenden) Eltern, die sich wie wir die Verantwortung zu dritt teilen (wollen). Meine Kontakte sind vielleicht nicht repräsentativ, aber sie zeigen ein breites Bild: Da ist das schwule Paar, das zusammen mit einer gemeinsamen Freundin ein Kind bekommen hat. Die drei wohnen in zwei Wohnungen im gleichen Haus und verstehen sich zu dritt als Eltern.

Vertrauen statt Rechtsgrundlage

Da ist die Mutter, die aufgrund der Unzuverlässigkeit des Vaters noch während der Schwangerschaft eine gute Freundin gefragt hat, ob sie auch Elternverantwortung übernehmen möchte. Die beiden Mütter wohnen zusammen mit dem Kind in einer WG, der Vater sieht sein Kind regelmäßig. Da sind viele lesbische Paare, die nicht nur einen Samen­spender gesucht haben, sondern einen Vater. Nur einige von vielen möglichen Konstellationen.

Die Personen ohne Elternstatus müssen bisher darauf vertrauen, dass die anderen beiden sich immer an die getroffenen Abmachungen halten werden. Umgekehrt müssen sich die beiden rechtlichen Eltern darauf verlassen, dass sich die Person ohne Rechte und auch ohne Pflichten an die Abmachungen hält und sich beispielsweise auch in Zukunft finan­ziell beteiligt.

Vor allem viele gleichgeschlechtliche Paare benötigen mindestens eine weitere Person, um ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Diese Person kann ein anonymer Samenspender sein, der im Alltag der Familie keine weitere Rolle mehr spielt oder, wie im Fall einiger in den Medien herumgereichter Paare, eine Leihmutter aus Kalifornien oder Indien. Immer mehr lesbische Paare fragen aber auch nach einem Samenspender im Freundeskreis. Nicht immer soll diese dritte Person dann auch gleichberechtigtes Elternteil mit allen Rechten und Pflichten sein. Aber bisher ist das auch in den Fällen, in denen es dem erklärten Wunsch aller Beteiligten entspricht, rechtlich gar nicht möglich.

Drei Mal erben

Die Rechtsfrage betrifft zwei Ebenen. Erstens geht es darum, wer in der Geburtsurkunde auftaucht und damit rechtlich Elternteil ist, zweitens um das Sorgerecht. Für beides sind in Deutschland höchstens zwei Personen vorgesehen. Eltern und Sorgeberechtigte sind jedoch nicht zwangsläufig die gleichen Personen – und beides funktioniert auch heute schon unabhängig von einer konkreten Beteiligung der jeweiligen Personen bei Geburt und Zeugung eines Kindes, beispielsweise durch die automatische Elternschaft von Ehemännern gebärender Frauen sowie bei Adoptionen.

Warum darf das dritte Elternteil in den von mir genannten Familien (inklusive meiner eigenen) das Kind nicht adoptieren, ohne dass eines der anderen Elternteile den Elternstatus verliert? Warum darf das dritte Elternteil nicht auch einen Teil des Sorgerechts übernehmen, wenn es im Sinne aller Beteiligten ist?

Es kann kaum zum Nachteil eines Kindes sein, wenn sich drei Personen kümmern, sorgen und finanziell einstehen. Ein Kind mit drei Eltern hätte einen Unterhaltsanspruch gegenüber drei Personen. Es könnte auch drei Mal erben. Mit der Elternschaft hätten außerdem drei Personen ein Umgangsrecht, also das Recht, Zeit mit dem Kind zu verbringen – wenngleich dieses auch heute schon nicht auf zwei Personen beschränkt ist.

Beim Sorgerecht ist die Sache eventuell etwas komplizierter. Ein möglicher Einwand gegen ein Sorgerecht für drei Personen wäre, dass Familiengerichte schon jetzt genug mit den ganzen getrennten Elternpaaren zu tun haben, die sich zu zweit nicht darüber einigen können, wo das Kind wohnen, ob es geimpft werden und auf welche Schule es gehen soll.

Mehrheitsprinzip als Chance

Man kann also fragen: Wenn nun in Zukunft in einigen Fällen drei Elterninteressen zu berücksichtigen wären, endet das dann nicht in völligem Chaos? Vielleicht wird es bei drei Beteiligten aber auch einfacher. Stehen sich zwei unterschiedliche Positionen gegenüber, gibt es immer noch eine dritte Person, die theoretisch zwischen diesen Positionen vermitteln kann. Wenn eine Person an einen anderen Ort ziehen möchte – Ausgangspunkt vieler Sorgerechtsstreitigkeiten –, wäre von vornherein klar, dass sie das Kind nicht mitnehmen kann, wenn eine Mehrheit der Eltern dagegen ist. Der Gesetzgeber könnte für solche strittigen Fragen beispielsweise das Mehrheitsprinzip festlegen, wonach zwei Unterschriften ausreichen würden, um etwa ein Kind in der Schule anzumelden.

Für eine genauere Ausgestaltung einer Dreierelternschaft gäbe es also durchaus noch einige Punkte zu klären. Die familienpolitischen SprecherInnen der Fraktionen im Bundestag antworteten mir auf meine Anfrage zu ihrer Position zu Drei-Eltern-Familien bisher überwiegend mit völligem Unverständnis. „Ich verstehe Ihre Frage nicht“, bekam ich unter anderem als Antwort. Schade. Wir sollten mit der Diskussion beginnen.

Mehr Texte aus der Debattenreihe „Familienangelegenheiten“ finden Sie unter www.taz.de/Familie

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