Usbekischer Präsident Karimow ist tot: Der Kronos aus Zentralasien

Islam Karimow herrschte seit dem Ende der Sowjetunion als Diktator in Usbekistan. Er bekämpfte die Opposition, Islamisten und seine eigene Familie.

Der usbekische Diktator Islam Karimow mit Hut

Der Diktator grüßt ein letztes Mal Foto: ap

BERLIN taz | Die ewige Herrschaft sollte dem Islam Karimow verwehrt bleiben. Am Freitag erlag der Präsident Usbekistans nach knapp 25-jähriger Herrschaft einer Hirnblutung. Er wurde 78 Jahre alt.

Als kommunistischer Apparatschik übernahm er die Macht in der damaligen Sowjetrepublik noch in der Endphase der Sowjetunion. Karimow war bis zu seinem Tod neben dem kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew der letzte sowjetische Saurier.

Mit über 30 Millionen Einwohnern ist Usbekistan das bevölkerungsreichste Land in Zentralasien. Es ist eine der weltweit brutalsten Diktaturen, ohne Pressefreiheit oder legale Opposition. Tausende Andersdenkende sind in Lagern eingesperrt, in denen nach UN-Angaben „systematisch“ gefoltert wird. So wurde 2002 bekannt, dass Häftlinge zu Tode gebrüht wurden.

Islam Karimow hat sich immer geweigert, die Folter öffentlich zu verurteilen. Politik und Wirtschaft unterliegen der Kontrolle des Staates. Über eine Million Usbeken sind gezwungen als Gastarbeiter auf russischen Baustellen zu arbeiten. Karimow beschimpfte diese als „Taugenichtse“.

Amtsübernahme durch Wahlbetrug

Karimow stammt aus der Provinz unweit von Samarkand an der Seidenstraße und wuchs zeitweise in einem Waisenhaus auf. Der erste Präsident Usbekistans musste die Landessprache erst erlernen. Karimows Muttersprache war tadschikisch, seine Arbeitssprache russisch.

Im Sommer 1991 unterstützte er den Putsch gegen Michail Gorbatschow. Er wollte die Sowjetunion bewahren. Danach forcierte Karimow aber die Unabhängigkeit aus Angst vor Gorbatschows Rache. Die erste Präsidentschaftswahl 1991 gegen den Dichter Muhammad Solich gewann er mit Hilfe von Fälschungen. Es war zugleich die letzte Wahl in Usbekistan mit einem unabhängigen Kandidaten. Seither setzt Karimow auf Repression.

Die brutale Unterdrückung der Opposition rechtfertigte Karimow als Kampf gegen den islamistischen Terror. 2005 ließ er mit Panzern einen Volksaufstand in Andischan gegen Justizwillkür niederschießen. Hunderte starben. Menschenrechtler und Journalisten werden verfolgt. Auch sein Neffe Jamshid Karimow, ein Journalist, verschwand für Jahre in einer Psychiatrie.

Außenpolitischer Schlingerkurs

Die EU verhängte zeitweise Sanktionen gegen Usbekistan, kassierte sie aber später kleinlaut. Außenpolitisch lavierte Karimow zwischen Russland, China und den USA. Nach 2001 erlaubte Karimow es den USA und Deutschland zeitweilig, Militärbasen in Usbekistan für den Krieg in Afghanistan zu unterhalten und sonnte sich in der internationalen Bedeutung.

Die wichtigste Stütze im Kampf gegen die Islamisten und die säkulare Opposition war für Karimow der Geheimdienst SNB unter dessen Chef Rustam Inojatow. Der heute 72-jährige diente Karimow 22 Jahren lang. Mit Hilfe seines Kettenhundes Inojatow spielte Karimow auch die mächtigen Klans aus Samarkand, dem Ferghanatal und Taschkent gegeneinander aus.

Dabei ging es um Beutemachen: Usbekistan ist ein reiches Land. Neben Gold, Gas und Öl ist es einer der weltweit größten Baumwollexporteure. Die Baumwolle wurde bis vor kurzen durch Kinderarbeit eingebracht. Die Reichtümer des Staates teilten sich die Staatselite und die Herrscherfamilie. Dafür forderte Karimow Loyalität. Die älteste Tochter Gulnara Karimowa scherte aus.

Ungeregeltes Erbe

Die heute 44-jährige, zwischenzeitlich als Botschafterin in Genf tätig, entdeckte die Vorzüge des westlichen Lebens. Sie sang und tanzte, entwarf Mode und herzte sich mit dem internationalen Jetset in Cannes und Los Angeles. Das Geld dafür machte sie mit schmutzigen Geschäften: 2012 wurde bekannt, dass eine schwedische Telefongesellschaft Gulnara Karimowa mit einer dreistelligen Millionensumme schmierte.

Karimowa positionierte sich in Usbekistan als mögliche Nachfolgerin. Ein Fehler. Mit Hilfe des mächtigen SNB-Chefs wurde die älteste Tochter nach einem langem Machtkampf ausgeschaltet. Die Gunst gewann die zweite Tochter Lola. Am Montag schrieb sie von den „Gehirnblutungen“ auf Instagram und bat um „Gebete“ für den Vater.

Der Autor ist Redakteur des Recherchezentrums CORRECTIV. Die Redaktion finanziert sich ausschließlich über Spenden und Mitgliedsbeiträge. Ihr Anspruch: In monatelanger Recherche Missstände aufdecken und unvoreingenommen darüber berichten. Wenn Sie CORRECTIV unterstützen möchten, werden Sie Fördermitglied. Informationen unter correctiv.org, Twitter: @correctiv_org

Karimow wollte nicht als zentralasiatischer König Lear enden, der von habsüchtigen Töchtern vertrieben wurde. Er wurde zum Kronos, der zum Machterhalt eine seiner Töchter opferte. Doch das Erbe ist unbestellt.

Es könnte ein Staatszerfall wie in Syrien drohen. Dort warten Tausende islamistische Kämpfer aus Usbekistan auf die Heimreise. Oder eine Clique aus Geheimdienstlern kapert unter russischen Ägide die Macht in der Hauptstadt Taschkent. Der Premierminister Schawkat Mirsijajew wird als möglicher Nachfolger gehandelt. Aber nichts ist sicher. Karimows Erbe ist eine Black Box.

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