Hamburger Finanzbehörde zieht gegen Stadtteilzentrum vor Gericht: Dreist und stur

Im Streit um die Räumung des Kollektiven Zentrums gibt sich die Finanzbehörde starrsinnig und agiert aggressiv

Gute Frage. Die AktivistInnen des Kollektiven Zentrums wollen sich nicht verdrängen lassen. Foto: JOTO

HAMBURG taz | Es geht um Macht. Besessen von dem Plan, das Koze loszuwerden, ist die Finanzbehörde zu keinem Kompromiss bereit. „Hier wird nicht gefeilscht“, hatte Finanzbehördensprecher Daniel Stricker bereits im Vorfeld des Räumungsprozesses dem offiziellen Koze-Mieter, Günter Westphal, gesagt.

Juristisch hat das Koze nicht viel zu gewinnen. Aber das Problem ist längst ein politisches. Das Stadtteilzentrum hat sich im Münzviertel etabliert und leistet dringend notwendige Arbeit in dem sozial belasteten und chronisch unterversorgten Stadtteil.

Während rund 40 UnterstützerInnen am Freitagmorgen vor dem Amtsgericht St. Georg ihre Solidarität mit dem Kollektiven Zentrum (Koze) ausdrückten, stand die Polizei in einigen Metern Entfernung mit Hamburger Gittern bereit. Der offizielle Mieter des Koze, Günter Westphal, und die Finanzbehörde konnten sich in der Verhandlung nicht einigen. Sie standen sich vor dem Richter gegenüber, weil die Behörde, der das Gebäude gehört, das Mietverhältnis gekündigt hat. Die AktivistInnen aber weigerten sich zu gehen. Sie wollen bis Ende März bleiben – die Finanzbehörde will sie „spätestens Ende Januar“ rauswerfen. Der Richter bedauerte die fehlende Kompromissbereitschaft, denn der juristische Weg werde wohl ohnehin länger dauern als bis Januar. Wenn am nächsten Prozesstermin, dem 7. Oktober, ein Räumungstitel ergehen sollte, will das Koze in Berufung gehen. Die Behörde drohte an, trotzdem schon vorher zu räumen.

Die Behörde interessiert das nicht – stattdessen will sie das vielleicht letzte städtische Grundstück in Hauptbahnhofnähe an einen Investor verticken. Damit wird sie wohl durchkommen, das ist leider absehbar. Ihr Vorgehen dabei ist aber dreist und unseriös.

Der Richter hatte die gesellschaftspolitische Dimension des Prozesses thematisiert und für eine Einigung plädiert. Schließlich geht es nur um einige Wochen. Vor Ende März wird auf dem Gelände ohnehin nichts abgerissen, denn bis dahin wird der Schulhof für das Winternotprogramm gebraucht. Aber die Finanzbehörde sagt einfach, sinngemäß: „Nö.“ Und dann kommt sie auch noch mit einem unverfrorenen Angebot auf Westphal zu:

Man würde sich auf eine Nutzung bis Mitte Januar einlassen, wenn Westphal sich bereit erklärte, persönlich zu haften, falls am Räumungstermin nicht alle Menschen freiwillig gingen. Der Richter fragte erstaunt, wie Westphal das sicherstellen solle. Anderenfalls müsse er Schadenersatz zahlen, schlug der Anwalt der Finanzbehörde vor.

Das ist ein durchschaubarer und hässlicher Versuch, zu spalten: Die AktivistInnen müssten sich dann am Tag der Räumung überlegen, ob sie Widerstand leisten und damit ihren Verbündeten Westphal in die Bredouille bringen wollen. Dessen Anwalt lehnte das Angebot als indiskutabel ab. Sieht so aus, als werde es demnächst knallen im Münzviertel.

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Jahrgang 1986, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Buenos Aires studiert und wohnt auf St. Pauli. Schreibt meistens über Innenpolitik, soziale Bewegungen und Klimaproteste, Geflüchtete und Asylpolitik, Gender und Gentrification.

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