AfD wird zweitstärkste Partei in MV: Ein Signal für Berlin

Ausgerechnet in Merkels politischer Heimat lässt die AfD die CDU hinter sich. AfD-Rechtsaußen Höcke sieht schon die „Revolution“ heraufziehen.

Höcke vor einem Mikrophon

AfD-Fraktionschef Björn Höcke spricht am 19. August auf dem Schweriner Marktplatz Foto: dpa

SCHWERIN taz | Ein dramatischer Himmel hängt über dem Schweriner See, als Björn Höcke später am Abend die kleine Bühne erklimmt. Im Hintergrund leuchtet das Schloss im Scheinwerferlicht. Besser könnte die Kulisse für den Thüringer Landeschef der AfD nicht sein. Er soll ein Grußwort an die Parteifreunde in Mecklenburg-Vorpommern sprechen.

„Das ist eine parteipolitische Revolution“, donnert der AfD-Rechtsaußen mit dem ihm eigenen Pathos. „Jeder von uns weiß, dass auch über die desaströse Politik der Kanzlerdiktatorin in Berlin abgestimmt wurde.“ Die AfD-Anhänger, die zur Wahlparty ihrer Partei in ein Festzelt am Seeufer gekommen sind, applaudieren begeistert. Einzelne „Höcke“-Rufe schallen durch die kühle Abendluft.

Es ist Sonntagabend kurz nach acht, die Hochrechnungen zum Ausgang der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern stabilisieren sich. Die SPD liegt mit über 30 Prozent auf Platz eins, auf den zweiten Rang aber – und damit vor die CDU – hat es die AfD geschafft. Rund 21 Prozent der Stimmen haben die Rechtspopulisten geholt.

Ihr Wahlziel, stärkste Partei zu werden, wie es Spitzenkandidat Leif-Erik Holm im Umfragehöhenflug vor der Wahl formuliert hat, hat die AfD nicht erreicht. Der schon um halb sechs bereit gestellte Sekt fließt dennoch reichlich. Die Freude ist groß: Aus dem Stand hat die AfD die verhasste CDU hinter sich gelassen. „Vielleicht ist das heute der Anfang vom Ende der Kanzlerschaft Merkel“ frohlockt Holm bereits früher am Abend.

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Von den Gefahren der „Massenzuwanderung“

Mecklenburg-Vorpommern ist eine kleines Bundesland mit wenig Einwohnern, bundespolitisch ist es eigentlich unbedeutend. Aber das ausgerechnet hier, wo Kanzlerin Angela Merkel ihren Bundestagswahlkreis und damit ihre politische Heimat hat, die AfD die CDU erstmals überrundet hat, ist für Berlin ein Signal. Nach Umfragen am Wahltag war für 60 Prozent der AfD-WählerInnen die Bundespolitik, genauer gesagt: die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung, das entscheidende Argument, um ihr Kreuz bei den Rechtspopulisten zu machen.

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Das war absehbar: Auf den Wahlveranstaltungen der AfD ging es kaum um Bildung oder Kulturpolitik, Gerichtsreform oder fehlende Ärzte auf dem Land, um klassische landespolitische Themen also. Wenn Spitzenkandidat Holm und seine Mitstreiter aber von den Gefahren der „Massenzuwanderung“ sprachen, konnten sie sich des Applauses sicher sein. Das wollte das Publikum hören.

Die überwiegende Mehrheit der AfD-WählerInnen, auch das zeigen Umfragen, macht sich große Sorgen wegen des Flüchtlingszuzugs. Die AfD, die Wähler von allen anderen Parteien und auch von den Nichtwählern gewonnen hat, schürt diese Angst und profitiert von ihr. Den Boden bereitet für den Wahlerfolg der AfD hat auch die rechtsextreme NPD, die bislang im Schweriner Landtag saß und ihr rassistisches Gift verspritzte. Viele WählerInnen musste die AfD nicht überzeugen, sie musste sie nur einsammeln. Rund 20.000 NPD-Anhänger haben dieses Mal AfD gewählt.

Hundert Prozent, also alle befragten AfD-WählerInnen finden es gut, dass die Partei den Zuzug von Ausländern und Flüchtlingen begrenzen will. 95 Prozent beurteilen positiv, dass die AfD die Ausbreitung des Islams in Deutschland verhindern will. Und hundert Prozent sind der Ansicht, die AfD spreche klar aus, was andere Parteien nicht offen sagen. Solche Werte gibt es bei keiner anderen Partei.

Wer ist das „liebe, deutsche Volk“?

Neben der Flüchtlingspolitik war das Thema soziale Gerechtigkeit entscheidend für die AfD-WählerInnen, deren Zusammensetzung sich verschiebt. In MV sind, wie schon in den drei Landtagswahlen in März, bei denen die AfD in Sachsen-Anhalt mit 24,3 Prozent ihr bislang bestes Ergebnisholte, mehr Arbeiter und Arbeitslose darunter. Nun ist die AfD im Kern eine wirtschafstliberale Partei, auch wenn sie sich im Wahlprogramm für den Mindestlohn ausspricht und Vizechef Alexander Gauland gern von der „Partei der kleinen Leute“ spricht.

Doch geschickt verknüpft die AfD soziale Themen wie Arbeitslosigkeit mit Migration und Flüchtlingen. Und schürt damit die Angst, dass es den Einheimischen schlechter geht, weil mehr Geflüchtete im Land sind. „Die Leute verstehen nicht, warum Geld für Einwanderung da ist, sie aber immer noch auf Straßen aus DDR-Zeiten fahren müssen“, solche Sätze fallen dann bei Veranstaltungen wie der von Holms Co-Sprecher Matthias Manthei, der auf Platz zwei der Landesliste steht und in Anklam und Umgebung eines der drei Direktmandate der AfD in Vorpommern geholt hat. Alle drei waren bislang fest in der Hand der CDU.

Die Partei habe einen anderen Gerechtigkeitsbegriff, sagt der Berliner Wahlforscher Oskar Niedermayer: „Statt wie die Linke von oben und unten zu sprechen, geht es bei der AfD um drinnen und draußen.“ Und wer draußen ist, also nicht zum „lieben, deutschen Volk“ gehört“, wie Höcke es gerne formuliert, der hat nach der AfD-Logik nicht das gleiche Recht auf soziale Gerechtigkeit.

Am Abend, auf der kleinen Bühne am Seeufer, malt AfD-Rechtsaußen Höcke schon eine Art Revolution an die Wand. „Wir brauchen eine politische Wende um 180 Grad“, sagt er mit dem Ton eines Predigers. Und: „Wir halten uns bereit, das Bürgertum läuft zu uns über, wir müssen noch etwas abwarten.

In MV hat, das zeigen Wahlanalysen, nur jeder vierte die AfD aus Überzeugung gewählt. Höchste Zeit, dass die anderen Parteien die anderen zurückgewinnen

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