Kommentar Nordkoreas Atomtest: In nuklearer Geiselhaft

Der Atomtest in Nordkorea zeigt: Das erste Mal seit dem Ende des Kalten Krieges scheint ein Nuklearschlag realistisch. Die Welt ist dem ausgeliefert.

Ein Mann verfolgt auf dem Bahnhof von Seoul die Berichterstattung zum Atombomenversuch in Nordkorea

Freitag, auf dem Bahnhof von Südkoreas Hauptstadt Seoul: Ein Reisender verfolgt die Berichterstattung über den jüngsten Atombombentest des nördlichen Nachbarn Foto: ap

Nordkoreas inzwischen fünfter Atomtest zeigt vor allem eins: Technisch steht das Regime in Pjöngjang kurz vor seinem Durchbruch. Der inzwischen zweite Atomtest in diesem Jahr beweist, dass das weitgehend isolierte Land in der Lage ist, Atomsprengköpfe in Serie herzustellen.

Und auch in der Raketentechnologie hat Nordkorea trotz aller Sanktionen enorme Fortschritte gemacht. Die Anfang der Woche abgeschossenen Mittelstreckenraketen landeten zwar allesamt im Meer, doch erst nach 1.000 Kilometern. US-Territorium ist damit in Reichweite. Es dürfte sich nur noch um Monate handeln, bis es Nordkorea endgültig geschafft hat, diese Mittelstreckenraketen atomar zu bestücken und sie dann auch anzuwenden. So bitter diese Niederlage klingt: Spätestens dann befindet sich die Welt endgültig in nuklearer Geiselhaft des nordkoreanischen Regimes.

Keine Frage, Südkorea, Japan, die USA und auch die meisten anderen Staaten der Weltgemeinschaft haben diese Bedrohung unmittelbar kommen sehen. Und auch Russland hat sich in den letzten Jahren den UN-Sanktionen meist vorbehaltlos angeschlossen. Es ist vor allem der chinesischen Führung anzulasten, dass sie aus Angst vor einem noch größeren Einfluss der USA in der Region Nordkoreas nukleare Aufrüstung nicht gestoppt hat.

Nun ist es zu spät. Und auch wenn ein nuklearer Erstschlag des Regimes in Pjöngjang einem Selbstmordkommando gleichkommt, weil der nicht weniger gerüstete Süden der Halbinsel sofort zum Gegenschlag ausholen würde, ist die Welt der neuen Nuklearmacht dennoch ausgeliefert. Ein Sturz des brutalen Diktators von außen ist nun nicht mehr möglich. Das erste Mal seit dem Ende des Kalten Krieges ist ein Nuklearschlag wieder sehr realistisch. Und China ist schuld.

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war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.

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