Burkini und Bikini in Ägypten: Der stoffliche Unterschied

Am „Miami Beach“ bei Alexandria ist der Burkini das freizügigste Kleidungsstück. Ein paar Kilometer westlich dominiert hingegen der Zweiteiler.

Eine Burkini-Trägerin steuert einen Jetski auf dem Wasser

Gibt Stoff: Burkiniträgerin fegt übers Mittelmeer Foto: Karim El-Gawhary

ALEXANDRIA taz | Zwischen der Burkini-Debatte in Europa und dem Strand „Miami Beach“ in der ägyptischen Hafenstadt Alexandria erstreckt sich das weite Mittelmeer. Der öffentliche Strand im Angesicht der Häuserschluchten der Vier-Millionen-Stadt, direkt neben der vielbefahrenen Küstenstraße, ist einer der wenigen Orte, an dem sich die Mehrheit der Ägypter überhaupt einen Badespaß leisten kann. Und der findet bei den Frauen meist in kompletter Kleidung statt.

Zwei ältere Frauen, voll bekleidet, einschließlich schwarzem Umhang, halten sich am Schlauch eines Lkw-Reifen fest. Sie kichern und spritzen sich gegenseitig nass. Auf einem Plastikstuhl betrachtet eine Frau, ebenfalls ganz in Schwarz und mit dem Vollschleier Niqab, die Szene, während die Brandung ihre Füße umspült.

Das freizügigste Kleidungsstück ist hier der Burkini. Die neue Bademode erobert immer mehr die öffentlichen Strände Ägyptens. Bei einem Blick aufs Wasser halten sich am Miami Beach in Alexandria voll bekleidete Ägypterinnen und Burkini-Frauen in etwa die Waage.

Der Burkini sei an diesem Strand so etwas wie der gesellschaftliche Minimal-Standard, erklärt eine ältere Dame, die auf einer der Strandliegen sitzt. Sie trägt einen blau-geblümten Burkini, darüber, solange sie nicht ins Wasser geht, einen schwarzen Umhang. Über ihr Kopftuch hat sie eine weiße Strandkappe gegen die Sonne gezogen. „Unsere Religion schreibt vor, dass wir so baden gehen. Das wäre doch seltsam, wenn wir uns auf der Straße bedecken und das an einem öffentlichen Strand anders machen würden“, argumentiert sie.

Neue Freiheit für Frauen

Aus dem Wasser kommt eine junge Frau mit einem Kind auf dem Arm. Sie trägt einen grau-schwarzen Burkini und hat ihre Sonnenkappe unter ihr Kopftuch geklemmt. In diesen Sommerferien trage sie trage zum ersten Mal in ihrem Leben einen Burkini. „Vorher bin ich immer mit einer Jeans und eine weiten Bluse ins Wasser gegangen“, erzählt sie. Der Burkini sei viel bequemer.

Von der Burkini-Diskussion in Europa habe sie natürlich gehört. „Was ich trage, ist Privatsache, ich bin frei, und niemand darf mir vorschreiben, was ich tragen soll“, sagt sie dazu. Hier seien die meisten Muslime, während es in Frankreich viele Religionen und Ansichten gäbe. „Aber ich finde auch dort ein Burkini-Verbot falsch. Auch in Frankreich müssen Frauen das Recht haben, zu tragen, was sie möchten.“ Eine Badeanzug oder einen Bikini sucht man übrigens auf dem Miami-Strand vergeblich.

Eine weitere Frau, irgendwo Anfang zwanzig, die sich nur mit Khadiga vorstellt, hat einen schwarzen Burkini mit hellblauen Einsätzen an. Auf dem Kopftuch trägt sie einen türkisfarbenen Strohhut. Sie erlebt den Burkini als Befreiung. „Bevor der Burkini erfunden wurde, konnte ich gar nicht baden gehen, besonders in Schwimmbädern nicht, weil man dort nicht in Kleidern baden darf“, erzählt sie. „Jetzt kann ich endlich überall ins Wasser und mich gleichzeitig so kleiden, wie ich es respektabel finde“, so Khadiga.

Bikini, Burkini oder Niqab?

An Ägyptens Stränden gibt es aber mindestens zwei Bademoden-Planeten. Für einen Privatstrand westlich von Alexandria im Bade-Compound Marina gibt es keine Eintrittskarten. Exklusiven Zugang haben nur die Besitzer von Strandhäusern oder deren Gäste. Hier sind Bikinis und Badeanzüge Normalität.

Vom Nachbarstrand trägt der Wind Schaumkronen herüber. Dort findet gerade unter lauter Musik eine Schaumparty stand. Auf den Strandtischen ist die ein oder andere Whiskeyflasche auszumachen. Hier zelebriert Ägyptens Oberschicht ihre eigene Strandblase.

Ein Burkini-Verbot an diesem Strand fänden die meisten hier gut. Aber wie alle Strände am Mittelmeer ist auch dieser offiziell ein militärisches Gebiet, in dem die Armee das letzte Sagen hat. Und die verwehrt sich gegen jegliche Burkini-Verbote.

So hoffen sie hier mit Bikini-Mehrheiten einfach Fakten zu schaffen. „Hier wird getanzt, hier wollen die Leute sonnenbaden und Alkohol trinken, Burkinis passen einfach nicht hierher“, fasst Hani Elias, der Manager des Strandes, sein Konzept zusammen.Ganz in der Nähe gäbe es zwei Privatstrände nur für Frauen. Dort könne eine Burkini-Trägerin sich doch prima entspannen, ohne sich beobachtet zu fühlen, sie müsse nicht mal einen Burkini tragen, „wenn sie unter ihresgleichen ist“, wirft er ein.

„Man fühlt sich schnell fehl am Platze“

Wenn die Frauen mit Burkinis an seinen Strand kommen, dann beginnt er sich „komisch“ zu fühlen. „Wenn sie mit den Burkinis kommen, fühlt man sich schnell fehl am Platze, obwohl es ja eigentlich umgekehrt sein müsste“, beschreibt Elias.

Ganz kann man die Burkinis aber auch nicht von diesem Strand ausschließen. Während Elias spricht, donnert im Hintergrund ein Jet-Ski vorbei. Eine Frau in schwarzem Burkini mit darübergezogener roter Schwimmweste dreht auf dem Wassermotorrad einmal so richtig auf. Einige der Bikini-Trägerinnen sehen ihr nach. Nicht nur das Land, auch dieser Strand lebt voller Widersprüche.

Er verstehe gut, wenn die Burkini-Trägerinnen in Europa von den dortigen Strandbesuchern als ein Angriff auf die Privatsphäre gesehen würden, führt Elias fort, nachdem sich die Burkini-Jet-Ski Dame wieder entfernt hat.

Sein Lösungsvorschlag: Konservative muslimische Familien und Burkini-Frauen in Europa sollten sich zusammentun und private Strände mieten, um dann zu tun und zu lassen, was sie wollen. „Das wäre besser, als wenn sie in anderer Menschen gewohnte Umgebung eindringen“, meint der ägyptische Badestrandverwalter.

„Kleidung spielt keine Rolle“

Eine Frau, die sich mit „Jasmin“ vorstellt, wandert in einem rosa Bikini den Strand entlang. Auch sie argumentiert, wie die Burkini-Trägerinnen in Alexandria, mit ihrer persönlichen Freiheit. Sie sei froh, dass es solche Strände in Ägypten gibt, an denen sie sich so kleiden könnte. An einem öffentlichen Strand in Alexandria könne sie sich so nicht blicken lassen.

„Ich sehe keinen Unterschied zwischen Bikini und Burkini. So ein Burkini liegt ja auch eng an und zeigt somit eine Menge“, sagt sie schnippisch. Wichtig sei, dass eine Frau respektabel auftritt und sich selbst respektiert. „Die Kleidung“, sagt sie, „spielt dabei keine Rolle.“

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