Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Wie die NSU-Ermittlungen immer mehr demolieren, warum Bob Dylan den Nobelpreis verdient hat und: Maschi als Präsident?

An der Kanzel: Exbischöfin Margot Käßmann

Die Ex-Bischöfin Margot Käßmann hat versprochen, dass sie nicht Bundespräsidentin werden will Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Ein Viermächtestatus mit militärischer Präsenz aller Siegermächte ist undemokratisch, völkerrechtswidrig und wäre das Ende Syriens.

Und was wird besser in dieser?

Deutschland meldet zu dem Vorschlag eine historisch begründete abweichende Meinung an.

Der Terrorverdächtige Jaber A. hat sich in Leipzig in Untersuchungshaft erhängt. Was läuft da schief im Freistaat Sachsen?

Umbenennung der Untersuchungs- in Stümperhaft und so, jedenfalls: Das ist alles so traurig, dass immerhin die drohende „Geschieht ihm doch recht“-Parole nicht durchklingt. Glück im Unglück.

Und wo wir gerade bei mysteriösen Kriminalfällen sind: Eine DNA-Spur des vermeintlichen NSU-Mitglieds Uwe Böhnhardt wurde bei der 2001 entführten, getöteten und erst 2016 entdeckten Peggy gefunden. Hilft da nur noch die Flucht in Verschwörungstheorien?

Was hätte man eigentlich anders gemacht, wenn man einfach nur das Vertrauen in Ermittlungsbehörden und Dienste hätte maximal demolieren wollen? Die Polizei ermittelte in fünf Kommissionen nach Bombenbastlern, Bankräubern, Ceska-Mördern, „Bosporus“-Verdächtigen – ohne auf die Idee zu kommen, alle diese paarweise auftretenden Täter seien schlicht dieselben. An den Tatorten spielte die Spurensicherung offenbar DNA-Lotterie: Böhnhardts Genspur wurde bisher ausschließlich am Fundort der Leiche des ermordeten Mädchens gefunden – nicht an NSU-Tatorten. Eine Reihe von DNA-Proben wurde weder genommen noch abgeglichen.

Käßmann, „das rollende Abendmahl“, wäre nach Gauck ein gutes Gegenbeispiel geworden für Präsidenten, die auch mal von etwas anderem besoffen sein können als nur von sich selbst

Wer bisher schauerlich fand, dass die Morde unter den Augen und im Mitwissen von Verfassungsschutzleuten stattfanden, der kann das jetzt im Kopf mal Kindsmord multiplizieren – auf Verdacht. Es ist wohlfeil, bei so vielen haarsträubenden Gratisvorlagen draufzuhauen – gerade deswegen ist die Doktrin des amtierenden Innenministers Thomas de Maizière krass falsch: „Teile der Antworten können die Bevölkerung verunsichern.“ Wenn sie nicht gegeben werden, ja, dann stimmt das. Es muss alles also raus – und die Chance des Rechtsstaates ist: sich zu blamieren, bevor es andere tun.

Bob Dylan hat den Literaturnobelpreis bekommen! Lesen Sie abends zum Einschlafen auch immer ein paar schöne Zeilen Dylan?

20 Jahre sind – in Popkultur gerechnet – mehrere Ewigkeiten; Bob Dylan war in meiner Generation bereits so was wie der Turnvater Jahn des Drei-Akkorde-Schraddel-Gesangs. Ein gefühltes Viertel aller „Mundorgel“-Lieder war von dem lockigen Männchen, das schlimm aus dem Hals krächzte und damit jedermann einlud, Sangeskunst und Gesang als zwei voneinander unabhängige Aspekte von Musik zu behandeln. Später lenkte die musikalische Denkmalpflege und kunstvolle Restauration der größten Musiker das Ohr darauf: Wenn so viele Asse so viele gloriose Cover machen, muss am Original was dran sein.

Jedenfalls ist der Nobel-Jury beizupflichten: Maximale Reichweite und Erfolg sprechen nicht grundsätzlich gegen Texte, nur meistens. Die berechtigte Ehrung des Barden, Skalden, homerischen Sängers Dylan nervt ein paar egoistische Buchhändler. Für sie hätte die Jury den Beatles-Text „Schubladi, schublada“ gleich mit auszeichnen sollen. Engstirnige Literaturschrebergärtner! Und ansonsten ist die Kanonisierung Dylans ein sicheres Ticket, dass kommende Generationen ihn werden ablehnen und übertrumpfen wollen. Well done.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat angeblich Margot Käßmann kontaktiert und wollte sie als neue Bundespräsidentin gewinnen. Bekommen wir demnächst weitere fünf Jahre Gottesdienst im Schloss Bellevue?

Käßmann – „das rollende Abendmahl“ – wäre nach Gauck ein gutes Gegenbeispiel geworden für Präsidenten, die auch mal von etwas anderem besoffen sein können als nur von sich selbst. Sie hat schon abgesagt und öffnet damit die Chance, Günther Jauch, Carsten Maschmeyer oder Utz Classen ins Schloss Bellevue zu sperren, damit sie 2021 nicht ins Kanzleramt trumpeln. Der Wunsch, eine im weiteren Sinne sakrale Persönlichkeit ganz oben zu sehen – Kirchenmenschen halt –, drückt wohl aus, dass im Präsidialamt die über das Sachlich-Nüchterne hinauswehenden Aspekte unseres Gemeinwesens obwalten mögen. Alsoso’ne Art Bundesesoterikverwaltung. Eine Demokratie braucht nichts Sakrales. Und derzeit erst recht nichts, wovon andere Religionen sich ausgegrenzt fühlen könnten.

Und was machen die Borussen?Halten die Bayern auf Abstand.

Fragen: JÜK

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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