Offensive auf Mossul: Ein langer Weg

Armee und Peschmerga müssen viele Dörfer unter ihre Kontrolle bringen, damit der Kampf um Mossul beginnen kann. Die USA sichern Unterstützung zu.

Peschmergakämpfer laufen durch die Wüste

Peschmerga, die am Montag auf Mossul vorrücken Foto: reuters

ISTANBUL taz | Die lange erwartete Offensive auf Mossul hat begonnen. Irakische Soldaten stießen am Montagmorgen von Osten und von Kajarah im Südosten auf die nordirakische Hochburg des Islamischen Staats (IS) vor. Gleichzeitig starteten Peschmerga, wie die Kurden die Kämpfer ihres Teilstaats nennen, einen Angriff von Kasar aus. Bereits am späten Vormittag vermeldeten die Armee und die Peschmerga erste Erfolge. Mit der Einnahme von mehreren Dörfern hätten sie bereits das Ziel des ersten Tages erreicht, sagte ein Peschmergakommandant.

Die Soldaten hätten den ersten Verteidigungsring des IS durchbrochen, teilte die Armee mit. Dutzende von IS-Kämpfern seien getötet worden. Doch offenbar mussten auch die IS-Gegner schwere Verluste hinnehmen. Massenhaft würden Peschmerga in ein Feldlazarett nahe Kasar eingeliefert, schrieb der Fotograf Sebastian Mayer auf Twitter. Und: „Es ist erst zehn Uhr morgens, und in dem Feldlazarett gibt es bereits den fünften Todesfall.“

Die meisten Iraker schliefen bereits, als der irakische Ministerpräsident Haider al-Abadi um kurz vor zwei Uhr morgens vor die Kameras trat und den Beginn der Offensive verkündete. „Die Stunde des Sieges ist gekommen, und die Operation zur Befreiung von Mossul hat begonnen“, sagte Abadi im Kreis von hochrangigen Kommandanten.

Überraschend kommt die Offensive nicht. In den letzten Monaten hatten die Extremisten im Irak zahlreiche Niederlagen einstecken müssen, und mit der Einnahme der Militärbasis in Kajarah hatten die Iraker die Voraussetzungen für einen konzertierten Angriff auf die IS-Hochburg geschaffen. Das größte Hindernis war der politische Zwist zwischen den IS-Gegnern, die alle bei der Rückeroberung von Mossul dabei sein wollen: die regulären irakischen Truppen, die Kurden, schiitische Milizionäre, aber auch die Türkei.

Luftangriffe durch die Alliierten

Es ist ein Erfolg der US-Amerikaner, dass sie den Dauerkonflikt zwischen dem kurdischen Regionalpräsidenten Masud Barsani und Abadi entschärfen konnten. Der Plan sieht vor, dass weder Barsanis Kämpfer noch schiitische Milizionäre in die mehrheitlich sunnitisch-arabische Stadt am Tigris einmarschieren. Ob sie sich daran halten, wird sich zeigen.

Gefährdung: Im Irak droht mit dem beginnenden Kampf um Mossul nach Angaben der UNO eine humanitäre Katastrophe. Rund 1,5 Millionen Einwohner seien durch die aufziehenden schweren Kämpfe akut gefährdet, warnte das UN-Büro zur Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA) am Montag in Genf.

Flucht: UN-Nothilfekoordinator Stephen O’Brien warnte, die Offensive der irakischen Armee und ihrer Verbündeten könnte bis zu eine Million Menschen in die Flucht schlagen. Zehntausende wehrlose Männer, Frauen und Kinder seien dem Risiko ausgesetzt, vom IS als Schutzschilde missbraucht zu werden.

Schutz: O’Brien betonte, dass die UNO und ihre Partner Vorbereitungen für eine große Flüchtlingsbewegung getroffen hätten. Rund 60.000 Menschen könnten in bereits eingerichteten Flüchtlingscamps außerhalb Mossuls Schutz finden. Weitere Aufnahmelager für gut 250.000 Flüchtlinge würden bereitgestellt. (epd)

Bis der eigentliche Kampf um Mossul beginnt, ist es freilich noch ein langer Weg. Erst einmal müssen die Armee und die Peschmerga die vielen Kleinstädte und Dörfer im Osten und Südosten unter ihre Kontrolle bringen. Die Amerikaner haben den Irakern jede nur erdenkliche Unterstützung zugesichert. Dazu zählen vor allem die Luftangriffe der Alliierten. Aber Präsident Barack Obama hat die Truppenstärke kürzlich noch einmal um mehr als 500 Mann erhöht, sodass inzwischen rund 5.000 amerikanische Soldaten im Irak stationiert sind. Darüber hinaus sind im Nordirak mehrere Hundert Elitesoldaten aus verschiedenen Ländern im Einsatz.

Doch Kriege verlaufen selten nach Plan. Die große Frage ist: Ist der IS in Mossul noch stark genug, um eine lange Abwehrschlacht führen zu können?

4.000 IS-Kämpfer in der Stadt

Für die Extremisten geht es in Mossul um viel. Es ist nicht nur die größte Stadt, die sie noch kontrollieren. Es ist auch die Stadt, in der sie 2014 das Kalifat ausgerufen haben. Wenige Tage später hatte IS-Chef Abu Bakr al-Baghdadi seinen ersten und einzigen öffentlichen Auftritt, als er in der berühmten Nuri-Moschee die Freitagspredigt und damit gewissermaßen seine Antrittsrede als Kalif hielt. Zur Verteidigung der Stadt haben die Extremisten einen tiefen Ringgraben angelegt, den sie mit Öl füllen und in Brand stecken könnten. Sie haben Straßen mit Sprengfallen vermint und ein Tunnelnetz gegraben. Die Amerikaner schätzen, dass sich noch um die 4.000 IS-Kämpfer in der Stadt befinden. Viele rechnen damit, dass sie erbitterten Widerstand leisten werden.

In den letzten Monaten häuften sich die Fälle von Widerstand gegen die Extremisten. Auf eine Rebellion hofft auch Abadi. Über das Radio und mit Flugblättern, die Piloten über der Stadt abwarfen, rief die Regierung die Bevölkerung auf, die Häuser nicht zu verlassen. Für die jungen Männer in Mossul hatten sie jedoch eine ganz eigene Botschaft: „Erhebt euch gegen Daesh (IS), wenn die Schlacht beginnt.“

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