Der NSU-Prozess und ein Kindsmord: „Haben Sie Informationen zu Peggy?“

Ermittler haben die DNA von Böhnhardt mit dem Mordfall Peggy K. zusammengebracht. Im Prozess gerät Zschäpe unter Druck: Was wusste sie?

Ein Gedenkstein mit dem Porträt von Peggy K.

Auch in diesem Fall: Antworten auf die Fragen zum Fall Peggy K. gibt's nur schriftlich Foto: dpa

MÜNCHEN taz | Es ist Mittwochmittag, als sich Manfred Götzl im NSU-Prozess direkt an Beate Zschäpe wendet. Er habe da noch Fragen, sagt der Vorsitzende Richter. „Haben Sie Informationen zu Peggy Knobloch, die Sie nicht aus den Medien haben?“, beginnt er. Zschäpe starrt auf ihre Finger, sie blickt nicht auf.

Es war ein spektakulärer Fund: Zwei Wochen ist es her, da entdeckten Ermittler DNA-Spuren des NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt an einem Stofffetzen, der neben der Leiche von Peggy K. gefunden wurde. 2001 war die Neunjährige spurlos aus dem bayrischen Lichtenberg verschwunden, im Juli fand ein Pilzsucher ihre Leiche in einem Thüringer Wald. Ein für die Tat Verurteilter, der Deutschtürke Ulvi K., wurde 2014 wieder freigesprochen. Nun steht der Verdacht im Raum: Hatte Böhnhardt etwas mit dem Mord zu tun?

Götzl greift diesen Verdacht auf. Und er fragt auch nach einem PC, der sich im letzten Unterschlupf des Trios in Zwickau fand. Darauf fanden Ermittler neben etlichen Pornobilder auch Fotos nackter Kinder. Wer habe diesen PC benutzt, fragt Götzl Zschäpe. Was könne sie zu den Bildern sagen? Zschäpes Anwalt Hermann Borchert vertröstet den Richter: Es werde Antworten geben, aber nur schriftlich.

Kurz darauf hakt auch Mehmet Daimagüler nach, Anwalt der Familien zweier NSU-Opfer aus Nürnberg. Er beantragt, alle Akten der Staatsanwaltschaft Bayreuth zum Fall Peggy K. im NSU-Prozess beizuziehen. „Das gebietet die Aufklärungspflicht.“ Auch Daimagüler verweist auf die Bilder auf dem NSU-Rechner. Hauptnutzerin des PCs sei laut Ermittlern eine „Liese“ gewesen – Zschäpes Deckname. Der Verdacht liege nahe, so Daimagüler, dass das Trio seinen Lebensunterhalt „auch durch Kinderpornografie finanziert hat“ oder in dieses Milieu „verstrickt“ gewesen sei.

Zschäpes Anwalt Hermann Borchert vertröstet den Richter: Es werde Antworten geben, aber nur schriftlich

Spannend wird nun, was Zschäpe auf die Fragen antwortet. Bisher wurde nicht erwartet, dass sich der NSU-Prozess durch den Fall Peggy K. groß verzögert. Als Verdächtiger gilt zum jetzigen Stand, wenn überhaupt, Uwe Böhnhardt. Der aber ist tot. Für alle anderen in München Angeklagten gibt es bislang keine Hinweise auf eine Tatbeteiligung.

Bei Böhnhardt ermittelt inzwischen eine 40-köpfige Soko mögliche Bezüge zu Peggy K. Zudem werden nun bundesweit ungeklärte Kindermorde neu aufgerollt – etwa in Thüringen, Hamburg, Brandenburg oder Sachsen. Opferanwalt Daimagüler hatte noch mehr gefordert: Alle seit 1990 ungeklärten Tötungsdelikte müssten jetzt auf einen Zusammenhang zum NSU geprüft werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Mit der taz Bewegung bleibst Du auf dem Laufenden über Demos, Diskussionen und Aktionen gegen rechts.

Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.