Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Flüchtlinge beleben deutsche Schützenvereine, die AfD kloppt sich mal wieder und mietbares Entscheiderkuscheln bei der SPD.

Martin Schulz zeigt beide Daumen nach oben, neben ihm weitere SPD-Politiker

Kann man nun nicht mehr so unbeschwert mieten: die SPD Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Hör mal, Tod! „Lustige Pärchen“ à la Fidel Castro und Peter Hintze ist absolut nicht dein Job !

Und was wird besser in dieser?

Die Jahresrückblicke mit den Schwarzweiß-Fotostrecken sind zum Gutteil im Kasten. Ab jetzt lohnt Überleben.

Früher redeten alle vom Wetter, heute alle von der Rente? Ist das schon spätrömische Dekadenz?

Rentner gehen wählen, also mit Clinton: „It’s the geriatry, stupid.“ Im Vorfeld gab es eine Reihe interessanter Fragen, SPD-Generalsekretärin Barley bekam gleich Ohrfeigen für ihren Hinweis auf die Kappungsgrenzen. Also: Warum steigt für Besserverdiener der Rentenbeitrag nicht mehr an? Weitere reizvolle Themen wären: Wieso zahlen Beamte nicht ein? Wie will die SPD Selbstständige heranführen? Wieso muss der Steuerzahler drauflegen, während Unternehmen sich zu entziehen trachten? Was machen wir nach dem Scheitern der Riester-Rente? Die Debatte ist also fällig, und wenn sie nur aus Wahlräson geführt wird, ist das besser als nix.

Immer mehr Deutsche beantragen einen „kleinen Waffenschein“, um Pfefferspray und Schreckschusspistolen mit sich führen zu dürfen. Sind hier berechtige Ängste im Halfter, die man ernst nehmen muss?

Damit kann man Sicherheit suggerieren, wo keine ist. Oder eine noch harmlose Situation ins Gewaltsame eskalieren. Sei’s drum, erfreuen wir uns an der Schlagzeile „Flüchtlinge beleben deutsche Schützenvereine“.

Alle reden von Martin Schulz. Wird er der neue Schmidt?

Gut wär’s. Steinbrück hatte eine lange Liste vergeigter Wahlen – unter anderem die Rekordleistung, NRW an Rüttgers zu verlieren. Steinmeier hatte eine wesentlich administrative Karriere gemacht. Zuspitzen und vereinfachen waren nicht seins. Dagegen der Bürgermeister von Würselen, seine Aura ein unsichtbares, tragbares Festzelt, sein Rekord ein achtbares Wahlergebnis gegen und mit Juncker. Schulz kann Wahlkampf. Ob Sigmar Gabriel über sich selbst weiß, dass er mit bloßem Auge von einer losen Kanone kaum zu unterscheiden ist, steht dahin. Doch er kann Umfragen lesen und auch absehen: Ein großes Ministerium, der SPD-Vorsitz und der Ruhm der Wiederauferstehung sind womöglich mehr als die Spitzenkandidatur.

Unternehmen konnten bislang für 3.000 bis 7.000 Euro an Gesprächen mit Spitzengenossen teilnehmen. Die SPD hat die von einer PR-Agentur vermittelten Treffen nun gestoppt. Ist die Sache damit erledigt, nach dem Motto: Ja, bisher habe ich im Supermarkt immer gestohlen, aber jetzt, wo ich erwischt worden bin, höre ich auf?

Vor zwei Jahren rügte Transparency International eine Veranstaltung einer angesehenen Zeitung: Da kauften sich Lobbyisten für 36.000 Euro in ein buntes Programm mit Peter Altmaier ein. Dass die Sozis dazu eine preisgünstige, auch für Arbeiter erschwingliche Alternative anbieten, ist doch das Mindeste. Entscheiderkuscheln ist ein Geschäftsmodell, und der Vorwärts als Kontakthof kann sich auf Notwehr berufen: Wenn andere Zeitungen Kabinettsmitglieder anschaffen schicken, muss die Parteipresse nachziehen.

Immerhin gelingt es der SPD so, das Klischee zu verwischen, man bekäme 7.000 Euro auf die Hand, wenn man einen Abend mit Heiko Maas und Andrea Nahles übersteht. Schemenhaft zeichnet sich hier das US-Spendendinner ab, in dessen Endstufe die dickste Kartoffel den dümmsten Bauern wählt. Also um Gottes willen: weg damit! Die SPD hat nichts davon, eine steinbrückoide Finanzierung zu enttabuisieren, die am Ende vor allem der Konkurrenz nützt.

Die AfD kloppt sich mal wieder. Kann man darauf vertrauen, dass sie sich wie frühere rechtsnationale Gruppierungen selbst zerlegt?

Gegenfrage: Kann man davon ausgehen, dass über viele Häutungen der Weg vom Burschenputschisten Haider zum Salonrassisten Strache führt, vom Protest zur Hegemonie? Heißt das Beispiel noch NPD oder schon Österreich? Derzeit irrlichtern intellektuelle Mehrfachsprengköpfe wie Storch von Beatrix und Darth Vader Gauland durch die Talks. Doch weichen Neurose und Rachekomplex irgendwann dem hübsch geföhnten Karrierismus einer zweiten, dritten Generation. Man vergisst zu gern, dass die Nazitainer auch innerhalb ihrer Partei lächerliche Figuren sind, nützlich und später leicht zu entsorgen.

Und was machen die Borussen?

Wenn der Erfolg von RB Leipzig auf die Nazis seiner Region einen ähnlich marginalisierenden Einfluss ausübt wie der Wiederaufstieg des BVB nach der Zweitligazeit auf die dunnemals „Borussenfront“ – ist das leider gut.

FRAGEN: MAHA, AW

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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