Kommentar Fillons Wirtschaftspläne: Jedes Sparprogramm wird scheitern

Der frisch gewählte Präsidentschaftskandidat Fillon will Frankreichs Wirtschaft „liberalisieren“. Was bedeutet sein Sieg aus ökonomischer Sicht?

Fillon steigt aus einem französischen Peugeot

Sarkozy und Juppé hat er überholt: Fillon sicherte sich die Kandidatur der Konservativen für die Wahl 2017 Foto: reuters

Das Rezept ist so schlicht wie falsch: Der konservative Präsidentschaftskandidat FrançoisFillon will Frankreichs Wirtschaft „liberalisieren“. Reiche und Unternehmen sollen entlastet werden – was der Rest der Bevölkerung finanziert, weil die Mehrwertsteuer steigen würde. Zudem soll ein „schlanker“ Staat 500.000 Beamtenposten streichen.

Dieses Programm kann nicht funktionieren, denn es hat einen Staat noch nie reich gemacht, die Reichen zu beschenken und Ausgaben zu kürzen. Stattdessen setzt eine Spirale nach unten ein: Wenn die „normalen“ Bürger ihren Konsum einschränken müssen, setzen die Firmen weniger ab und entlassen Angestellte. Es wird noch weniger konsumiert – was weitere Stellen kostet.

Doch Fillon vertraut nicht der Logik, sondern seinem Augenschein: Die Nachbarn haben es doch vorgemacht! In Großbritannien setzte Margaret Thatcher ab 1980 auf einen „schlanken Staat“ und Billiglöhne in der Industrie; Deutschland folgte später mit seiner Agenda 2010. Beide Länder scheinen zu prosperieren.

Doch Fillon übersieht, dass Großbritannien und Deutschland nicht nur auf Billiglöhne gesetzt haben. Sie haben die sinkende Binnennachfrage gleichzeitig kompensiert – indem sie ihre Nachbarn beklauten.

Zu spät

Thatcher rief den „Big Bang“ aus: Die Banken wurden dereguliert und Großbritannien zu einer Steueroase. Europäisches Finanzkapital strömte nun vor allem in die City of London, was Tausende von gut bezahlten Stellen schuf.

Deutschland war das erste Euroland, das seine Löhne drückte, um Marktanteile für seine Exportgüter zu ergattern. Um die Deutschen wieder einzuholen, müsste Fillon die französischen Löhne um etwa 20 Prozent senken. Das ist unmöglich.

Frankreich kommt zu spät, um sich mit miesen Tricks bei seinen Nachbarn zu bedienen. Jedes Sparprogramm wird also scheitern – und die Rechtspopulisten weiter stärken.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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