Völkermord in Ruanda: Die Kirche gesteht ihre Mitschuld

An den Massakern an den Tutsi im Jahr 1994 waren auch viele Geistliche beteiligt. Das hat die Katholische Kirche nun eingestanden – und sich entschuldigt.

Im Innern einer verlassenen Kirche. Ein Kind springt auf einem Altar herum, auf dem Totenschädel liegen

In der Kirche von Ntamara wurden mehrere tausend Menschen getötet. Sie wurde zum Gedenkort – hier ein Foto von 1997 Foto: ap

BERLIN taz | Zum ersten Mal hat sich die katholische Kirche für die Mittäterschaft katholischer Geistlicher beim Völkermord in Ruanda 1994 entschuldigt. In allen katholischen Kirchen Ruandas wurde am Sonntag eine entsprechende Botschaft der katholischen Bischofskonferenz des Landes zum Abschluss des „Heiligen Jahres der Barmherzigkeit“ verlesen.

„Obwohl die Kirche niemanden losschickte, um Böses zu tun, entschuldigen wir, der katholische Klerus, uns für einige Kirchenmitglieder, Kleriker, Diener Gottes und Christen im Allgemeinen, die eine Rolle beim Völkermord an den Tutsi 1994 spielten“, hieß es in der Erklärung laut den am Montag veröffentlichten Auszügen.

„Wir entschuldigen uns im Namen aller Christen für die verschiedenen Verbrechen, wir sind traurig darüber, dass einige der Unseren ihr durch die Taufe eingangenes Gelübde brachen (…) Wir entschuldigen uns für alle Sünden des Hasses und der Spaltung, die in unserem Land geschaffen wurden, bis dahin, dass wir unsere Landsleute wegen ihrer Volkszugehörigkeit hassten. Wir bitten um Vergebung“, so die Erklärung weiter. „Wir entschuldigen uns für alle Hirten, die Konflikte schürten und die Saat des Hasses säten.“

Ruanda war während der Kolonialzeit das katholischste Land Afrikas geworden. Katholische Missionare lehrten, dass die vorkoloniale Herrscherschicht der Tutsi ein fremdes Eroberervolk sei und die Hutu-Bauernmehrheit das eigentliche ruandische Volk. Dies wurde zur Staatsideologie Ruandas, als es 1962 unter Führung ehemaliger katholischer Hutu-Seminaristen unabhängig wurde. Zahlreiche Tutsi wurden getötet oder vertrieben.

Katholische Kirchen waren Massakerorte

Als bewaffnete Tutsi-Flüchtlinge 1990 wieder in Ruanda einmarschierten, reagierte die Hutu-Staatsmacht mit dem Versuch der organisierten Ausrottung aller Tutsi im Land: rund eine Million Menschen wurden zwischen April und Juli 1994 getötet, bis die Tutsi-Rebellen die Macht ergriffen und die Völkermordtäter in den benachbarten Kongo flohen.

Katholische Kirchen waren 1994 Massakerorte. Zu Zehntausenden suchten Tutsi damals Schutz in Kirchen. Viele Geistliche luden dann Armee und Hutu-Milizen ein, sie umzubringen. Manche beteiligten sich selbst oder segneten die Mörder.

Anbetung der Jungfrau Maria und strenger Katholizismus gehören bis heute zur Ideologie flüchtiger Völkermordtäter und ihrer Sympathisanten wie der in Deutschland inhaftierte Präsident der Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), Ignace Murwanashyaka.

Bislang hatte die katholische Kirche ein Schuldeingeständnis abgelehnt. Auch heute besteht sie darauf, nicht als Institution beteiligt gewesen zu sein. Aber die neue Stellungnahme wurde nun vom Verband der ruandischen Völkermordüberlebenden (Ibuka) begrüßt.

„Manche Priester dachten bisher, sie seien geschützt, weil die Kirche schwieg“, sagte Ibuka-Chef Jean-Pierre Dusingizemungu. „Aber die Dinge werden sich jetzt ändern.“

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